Beim Abschluss einer Versicherung erhält der Versicherte vom Versicherungsunternehmen das Versprechen, bei Eintreten eines bestimmten und in den Versicherungsbedingungen genau definierten Schadens, einen finanziellen Ausgleich zu erhalten. Dieser Versicherungsschutz wird für einen bestimmten Zeitraum und gegen einen entsprechenden Beitrag gewährt.
Allerdings werden nicht alle Schäden, für deren Ausgleich ein Versicherungsunternehmen in einem Jahr Beiträge erhalten hat, auch im selben Jahr abschließend reguliert. In manchen Fällen verzögert sich die Regulierung, beispielsweise aufgrund fehlender Gutachten oder länger andauernder Reparaturen.
Es kommt auch durchaus vor, dass Schäden bereits eingetreten sind, aber dem Versicherer noch nicht gemeldet wurden. Ein typisches Beispiel ist die Haftpflichtversicherung für Architekten: Oftmals fallen Planungsfehler erst Jahre nach der Fertigstellung des Objekts auf. Doch der Versicherer, der zum Zeitpunkt der Hausplanung das Architekturbüro gegen Haftpflichtschäden versichert hat, muss in der Regel dann auch Jahre später noch für diese Schäden einstehen.
Für die Schäden, die zum Bilanzstichtag noch nicht abschließend reguliert oder auch noch gar nicht bekannt sind, werden Rückstellungen in der Bilanz gebildet. Häufig bezeichnet man diese Schadenrückstellungen auch als Schadenreserven.
Warum werden Schadenreserven gebildet?
Es gibt zwei gute Gründe, Schadenreserven zu bilden:
- Es wird sichergestellt, dass die Versicherungsunternehmen ihr Versprechen nicht nur im Jahr der Beitragszahlung, sondern auch darüber hinaus erfüllen können.
- Bei der Bilanzierung stellen Versicherungsunternehmen die Einnahmen den Ausgaben gegenüber. Da die Bildung von Schadenrückstellungen kaufmännisch Ausgaben darstellen, entsteht ein realistisches Jahresergebnis, das die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens transparent macht.
Wie werden Schadenreserven gebildet?
Es gibt im Wesentlichen zwei unterschiedliche Arten von Schadenreserven:
- Individuelle Einzelfallreserven für Schäden, die dem Versicherungsunternehmen bereits bekannt sind. Die Höhe einer Einzelfallreserve wird in der Regel nach Aktenlage von einem sachkundigen Schadenregulierer eingeschätzt.
In speziellen Sparten, z. B. in der Rechtsschutzversicherung, ist bei bekannten Schäden lange Zeit unklar, wie hoch die Entschädigung für einen einzelnen Schaden sein wird. In manchen Sparten wird dann ein Durchschnittswert als pauschale Einzelfallreserve gesetzt. - Pauschale Rückstellungen auf der Basis versicherungsmathematischer Methoden. Diese Pauschalen werden in der Regel von Aktuaren geschätzt (siehe auch Glossarbeitrag „IBNR-Reserve"). Die pauschalen Rückstellungen decken dann einerseits die dem Unternehmen noch nicht bekannten, aber bereits eingetretenen Schäden ab. Andererseits beinhalten sie auch einen Anteil für möglicherweise zu niedrig gestellte Einzelfallreserven.
Den gesamten Vorgang nennt man Schadenreservierung, wobei oft zwischen „Einzelfallreservierung" und „aktuarieller Reservierung" unterschieden wird.
Die genaue Bezeichnung der Schadenreserven unterscheidet sich je nachdem, welches Regelungssystem verwendet wird. Das HGB nutzt die Bezeichnung „Rückstellung für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle". Inhaltlich deckt diese Rückstellung ab:
- Die je Einzelfall gebildete Rückstellung für bekannte Schäden, einschließlich einer ggfs. für Rentenverpflichtungen gebildeten Rentendeckungsrückstellung
- Die (pauschale) Rückstellung für noch nicht gemeldete, aber bereits verursachte Schäden (Spätschadenrückstellung)
- Die Rückstellung für die mit der Regulierung der Versicherungsfälle zusammenhängenden Schadenregulierungskosten
- Abgesetzt werden von der Rückstellung rechtskräftige Ansprüche, die der Versicherer im Rahmen der Regulierung erhält (Regresse, Provenues und Teilungsabkommen)
Im Versicherungsaufsichtsrecht (Solvency II) sowie im internationalen Rechtsraum wird oft der Begriff Schadenrückstellung (claims provision) verwendet. Dabei gelten vom HGB abweichende Bewertungsregeln.
Neben der Schadenrückstellung werden im handelsrechtlichen Jahresabschluss weitere Rückstellungen gebildet, die die dauerhafte Leistungsfähigkeit des Versicherungsunternehmens sicherstellen sollen. Dazu zählt insbesondere die Schwankungsrückstellung. Das Versicherungsaufsichtsrecht verlangt demgegenüber von den Unternehmen eine bestimmte Kapitalausstattung, die mögliche Verluste des Versicherungsunternehmens abdecken soll.
Die Definition finden Sie hier zum Download auch alsPDF-Datei.