Neue Artikelserie: Beispiele zur Mittelfristplanung unter IFRS - Teil II
Die Serie behandelt anhand von ausgewählten Beispielen, wie sich typische Managemententscheidungen auf die zukünftigen IFRS-Abschlüsse in der Mehrjahresplanung im Zeitraum von drei bis fünf Jahren auswirken. Betrachtet werden u.a. Änderungen der Asset-Strategie, Änderungen oder teilweise Einstellung des Neugeschäfts und Restrukturierungsmaßnahmen. Die voraussichtlichen Effekte auf die zukünftigen IFRS-Abschlüsse werden in qualitativer Form dargestellt und können sowohl ex ante zur vorherigen Abwägung im Rahmen der Entscheidungsfindung als auch ex post zur nachträglichen Plausibilisierung der tatsächlichen IFRS-Abschlüsse verwendet werden. Der Fokus liegt auf der möglichst anschaulichen Diskussion von Beispielen zum Einstieg in die komplexe IFRS-17-Materie, nicht auf der ausführlichen konzeptionellen Analyse des Rechnungslegungsstandards. Die wesentlichen verwendeten Begriffe und Größen aus IFRS und Solvency II sind im Glossar definiert. Wir nutzen dabei den kürzlich veröffentlichten Ergebnisbericht [1] der Unterarbeitsgruppe „IFRS 17 KPI“ der AG IFRS des Ausschusses Rechnungslegung und Regulierung.
In dieser Fortsetzung analysieren wir, wie sich die Änderung der Laufzeit der Kapitalanlagen und die Durchführung von Restrukturierungsmaßnahmen auf die zukünftigen IFRS-Abschlüsse auswirken können.
Änderung der Duration der Kapitalanlagen

Ausgangssituation: Ein Versicherungsunternehmen (VU) entscheidet sich, innerhalb der nächsten 3 Jahre die Duration der Kapitalanlagen zu erhöhen, um den vorhandenen Durations-Mismatch zwischen Aktiv- und Passivseite zu verringern. Infolgedessen wird auch das Zins-SCR in Solvency II sinken. Dazu verkauft es festverzinsliche Wertpapiere mit kurzer Restlaufzeit und geringfügigen stillen Lasten. Deren Neuanlage und die normale Wiederanlage von auslaufenden 10J-Anleihen erfolgt zu Laufzeiten von 10 bis 20 Jahren, was zur gewünschten Durationserhöhung führt. Das mittlere Rating und der mittlere Spread über der risikolosen Zinskurve ändere sich durch die vorgenommene Umschichtung nicht.
Einordnung in IFRS-Kontext: Sowohl die bisherigen als auch die neu angelegten Anleihen werden nach IFRS 9 der Kategorie FVOCI zugeordnet, sodass Marktwertänderungen erfolgsneutral im Eigenkapital (OCI) bilanziert werden. Auswirkung auf Bilanz, GuV und KPI: Auch in diesem Fall hängen die Auswirkungen der Durationsverlängerung auf die Bilanz, die GuV und wichtige KPIs vom verwendeten IFRS-17-Bewertungsmodell ab. Für das VFA-Bewertungsmodell für direkt überschussberechtigtes Leben-Geschäft gilt Folgendes:
Bilanz: Durch die (ggf. noch zukünftige) Verringerung des Durations-Mismatch sinkt der TVOG und damit auch der PVFCF, und die CSM erhöht sich, sofern die Managementregeln entsprechend kalibriert sind und die zukünftig geplanten Durationsänderungen bereits antizipieren1. Außerdem wird die CSM weniger schwankungsanfällig bei Änderungen der risikolosen Zinstrukturkurve in der Zukunft.
Jahresüberschuss: Die erhöhte CSM führt zu einer höheren CSM-Realisierung und einer anfänglichen Steigerung des IFRS-Jahresüberschusses. Bei einem erwartungsgemäßen Verlauf der Abwicklung wird sich der TVOG CSM-erhöhend auflösen, und da der TVOG nun geringer ausfällt, wird dessen Auflösung nun die CSM in geringerem Maße erhöhen, sodass in späteren Jahren entsprechend ein Ausgleich durch eine Reduzierung des IFRS-Jahresüberschusses eintritt.
Insgesamt ergibt sich somit eine Steigerung der anfänglichen IFRS-Jahresüberschüsse – und das bei sinkendem Zins-SCR.
Im VFA-Bewertungsmodell mit selbst gehaltenem Underlying Item wird das IFRS-Ergebnis aus Kapitalanlagen bei Ausübung des Wahlrechts in IFRS 17.89(b) (Buchwertperiodenertrags-Ansatz) in der GuV durch einen versicherungstechnischen Zinsaufwand in gleicher Höhe neutralisiert. Die realisierten stillen Lasten (aus dem Recycling des negativen OCI) wirken sich also effektiv auf den IFRS-17-Jahresüberschuss nur in Höhe des auf das Eigenkapital entfallenden Anteils belastend aus. Annahmegemäß wird sich der jährliche Zusatzertrag aus Überrendite (Bugwelle) nicht ändern.
KPI Neugeschäfts-CSM: Durch die Verringerung des Durations-Mismatch wird vermutlich die Neugeschäfts-CSM steigen, wobei das in der Modellierung angenommene dynamische Versicherungs-nehmerverhalten wegen des erhöhten Stornorisikos bei starken Zinsanstiegen –unternehmensindividuell – dämpfend wirken könnte.
Bei Anwendung des GMM- bzw. PAA-Bewertungsmodells insbesondere im Schaden-Unfall-Geschäft oder nicht überschussberechtigten Geschäft ist die Bewertung der Versicherungsverpflichtungen unabhängig von der Struktur der Kapitalanlagen des Unternehmens.
Bilanz: Hier baut sich im Zeitverlauf der Umschichtung das negative OCI ab. Bei zukünftigen Zinsänderungen wird sich das aus Kapitalanlagen und Versicherungsverpflichtungen saldierte OCI weniger ändern als vor der Umschichtung, da der Aktiv-Passiv-Mismatch verringert worden ist.
Jahresüberschuss: Die realisierten stillen Lasten belasten via Recycling den IFRS-Jahresüberschuss. Nach Kauf steigen die laufenden Erträge aus Kapitalanlagen, sofern die Coupons der neuen Anleihen höher sind als die vorherigen Anleihen. Dies führt zu sukzessive steigenden IFRS-Jahresüberschüssen.
KPI: Die Combined Ratio bleibt unverändert. Der RoE wird infolge der steigenden Kapitalanlagenerträge etwas steigen.
Restrukturierung/Investitionen in Kostensenkungsmaßnahmen, Effizienzsteigerung oder Ähnliches
Ausgangssituation: Ein Versicherungsunternehmen tätigt Investitionen, die zu einer Reduktion der erwarteten zukünftigen Kosten führen2. Wir betrachten nur die Effekte auf die Rückstellung für zukünftige Deckung (LRC) und die daraus resultierende Auswirkung auf die P&L. Weiterhin gehen wir davon aus, dass die zugrunde liegenden Gruppen von Verträgen vor und nach dieser Auswirkung keine Verlustkomponente tragen. Im Falle einer LRC mit Verlustkomponente entfällt die unten beschriebene Pufferung gegen die CSM (teilweise) und die Effekte sind entsprechend direkt P&Lwirksam.
Grundsätzlich müssen Zahlungsströme innerhalb des IFRS 17 in zu berücksichtigende (IFRS 17.B65) und nicht zu berücksichtigende (IFRS 17.B66) Zahlungsströme unterschieden werden. Zur Vereinfachung betrachten wir hier nur Kosten (ohne Abschlusskosten), also (gemäß IFRS 17.B65) direkt zuordenbare Kosten (ZK)3 und (gemäß IFRS 17.B66) nicht direkt zuordenbare Kosten (NZK)4, die Betrachtung für andere Zahlungsströme ist analog5.
Im Folgenden analysieren wir jeweils getrennt die Auswirkung der höheren Kosten in der aktuellen Periode auf die Experience Variances6 und der niedrigeren erwarteten zukünftigen Kosten durch die Annahmen-Änderungen. Die Effekte auf die zukünftigen IFRS-Abschlüsse sind je nach Bewertungsmodell unterschiedlich:
Premium Allocation Approach (PAA):
Änderungen der Erwartungen der zukünftigen Kosten haben keine Auswirkung auf die LRC, da nach obigen Annahmen keine Verlustkomponente vorliegt. Sind am Periodenende (wie erwartet) geringere/höhere zuordenbare Kosten angefallen, ist die Combined Ratio (CR) natürlich entsprechend geringer/höher.
General Measurement Model (GMM):
Experience Variances: Alle eingetretenen Aufwände, also insbesondere auch aus initialen Investitionen, sind direkt P&L-wirksam und werden im Versicherungstechnischen (bei ZK) bzw. Sonstigen Ergebnis (bei NZK) gezeigt.
Annahmen Änderungen: Änderungen der Erwartungen der zukünftigen niedrigeren ZK verändern den Barwert der zukünftigen Zahlungsströme (PVFCF) und mit entgegengesetztem Vorzeichen die CSM. Die LRC insgesamt bleibt also unverändert. Wenn die niedrigeren zukünftigen ZK auch wie erwartet eintreten, wirken sie sich in den zukünftigen Perioden nicht direkt auf den Jahresüberschuss aus, da dem verringerten tatsächlichen Aufwand ein verringerter erwarteter Aufwand im Versicherungsumsatz entgegensteht. Ein P&L-Effekt ergibt sich somit nur indirekt über die aktuellen und restlichen Deckungsperioden über das veränderte CSM-Release, sodass das erwartete Ergebnis über diese Gesamtperiode verteilt wird.
Änderungen der Erwartungen der zukünftigen NZK haben keine Auswirkung auf die LRC.



Variable Fee Approach (VFA):
Vorbemerkung: Wir nehmen an, dass es sich bei dem Unternehmen um einen deutschen Lebens- oder Krankenversicherer handelt und „Experience Variances“ der NZK (im VFA) analog zu den Experience Variances der ZK gegen die CSM gebucht werden. Bei Verwendung einer anderen Methodik ist die Beschreibung entsprechend anzupassen.
Experience Variances: Die Experience Variances der ZK werden gegen die CSM gebucht. Dies erzeugt einen P&L-Effekt, der den Effekt der Experience Variances kompensiert.
Die gezahlten NZK werden im sonstigen Ergebnis gezeigt. Die „Experience Variances“ der NZK werden ebenfalls gegen die CSM gebucht (siehe Vorbemerkung) und haben eine entsprechende Auswirkung auf die P&L. Im Gesamtergebnis bleiben also nur die erwarteten NZK stehen.



Annahmen-Änderungen: Alle Änderungen der Erwartung der zukünftigen ZK passen wie im GMM die PVFCF und entgegengesetzt die CSM an und haben keine direkte Auswirkung auf das Gesamtergebnis der P&L. Analog zum GMM wirken sich die niedrigeren zukünftigen ZK in den zukünftigen Perioden nicht direkt, sondern nur indirekt über das höhere CSM-Release aus.
Änderungen der Annahmen der NZK führen nur indirekt durch die geänderte zukünftig erwartete VN-Beteiligung (IFRS 17.B65c) zu einer Veränderung der PVFCF und entgegengesetzt der CSM. Die LRC insgesamt bleibt unverändert und es gibt keine direkte Auswirkung auf das Gesamtergebnis in der P&L. Die CSM sinkt (!) also bei einer verringerten erwarteten Kostenbelastung durch NZK.
Dementsprechend stehen sich in der P&L in den Folgejahren ein verringerter Aufwand durch reduzierte erwartete Kostenbelastung durch NZK und ein verringertes CSM-Release gegenüber. Abhängig vom Release Pattern der CSM kann es dabei im Periodenausweis zu Accounting Mismatches kommen, die sich über die Zeit allerdings ausgleichen werden. Insgesamt ergibt sich durch die geringeren zukünftigen NZK ein positiver Ergebniseffekt.
Fazit
Die Effekte und insbesondere die kurz- und mittelfristige Ergebnisauswirkung sind abhängig von dem Bewertungsansatz und den Kostenkategorien (innerhalb der
Versicherungstechnik oder nicht) sehr unterschiedlich. In den Tabellen 1 bis 3 werden die Effekte je Bewertungsmodell vereinfacht zusammengefasst. Bei der Darstellung der Effekte gehen wir davon aus, dass der (initiale) Investitionsaufwand kleiner ist als der Barwert der daraus resultierenden Ersparnisse.
Der Effekt auf den Jahresüberschuss bzw. RoE wird ohne den Effekt aus dem veränderten CSM-Release dargestellt. Der Gesamteffekt auf den Jahresüberschuss bzw. RoE ergibt sich also als Summe. Welcher Effekt bei unterschiedlichen Vorzeichen dominiert, hängt von diversen Faktoren ab und kann sich über den Zeitverlauf ändern.
