Interview mit Stefan Oecking
Die DAV lebt vom Engagement vieler engagierter Mitglieder. Ehrenamtliche Mitarbeit ist nicht nur eine wertvolle Unterstützung für unser gemeinsames Ziel, sondern auch eine wunderbare Gelegenheit, aktiv an der Gestaltung und Weiterentwicklung unserer Arbeit teilzuhaben. Wir lassen diese regelmäßig im Interview zu Wort kommen.
Stefan, du wurdest im September 2024 zum Vorsitzenden des IVS gewählt. Was sind deine persönlichen Ziele in dieser Funktion?

Ein zentrales Anliegen ist, die Arbeitsfähigkeit des erweiterten IVS-Vorstands nachhaltig zu sichern und eine verlässliche Nachfolgeregelung vorzubereiten. Denn ich sehe mich selbst altersbedingt in dieser Rolle für maximal eine Amtsperiode und möchte möglichst frühzeitig sicherstellen, dass meine Nachfolgerin oder mein Nachfolger auf eine stabile und handlungsfähige Struktur zurückgreifen kann. Dazu gehört auch, meine Vorstandskolleginnen und -kollegen eng in die anstehenden internen Aufgaben, aber auch in den Austausch mit anderen Verbänden, Institutionen und den einschlägigen Ministerien einzubinden. Alle Vorstandsmitglieder sind gleichermaßen vertretungsberechtigt und wählen den Vorsitzenden aus ihrer Mitte. Ich verstehe mich daher als „Primus inter pares“, also Erster unter Gleichen, mehr Vorstandssprecher als CEO. Dies wird sich auch in der Aufgabenverteilung widerspiegeln.
Gibt es noch weitere Anliegen, die du in den nächsten vier Jahren gerne umsetzen möchtest?
Das IVS lebt von einer modernen, breiten Repräsentanz und muss insbesondere auch für jüngere Mitglieder attraktiv bleiben. Dazu gehört nicht nur die gezielte Werbung neuer Mitglieder, sondern auch die aktive Einbindung junger Aktuarinnen und Aktuare in die fachliche Arbeit, beispielsweise in zahlreichen Arbeitsgruppen des Fachausschusses Altersversorgung.
Die aktuellen politischen Entwicklungen zeigen außerdem, dass die Alterssicherung weiterhin eines der drängendsten Themen unserer Gesellschaft bleibt. Auch wenn wir als IVS nicht mit allen Inhalten der Gesetzesvorhaben zur Alterssicherung einverstanden waren, gab es doch viele positive Ansätze, die wir fachlich begleitet haben. Insbesondere für unsere zahlreichen Vorschläge im Rahmen des Fachdialogs Betriebsrente haben wir viel Zuspruch erhalten. Wir werden als konstruktiver und durchaus auch innovativer Gesprächspartner wahrgenommen und gehört. Unser Ziel muss daher sein, diese Wahrnehmung und Positionierung weiter auszubauen und aktiv an der Gestaltung der Agenda für die nächste Legislaturperiode mitzuwirken. Die Herausforderungen in der Alterssicherung erfordern aktuariellen Sachverstand. Deshalb ist mir die weitere Stärkung der Position des IVS im politischen Diskurs ein großes Anliegen.
Du bist bereits seit ihrer Gründung in der DAV und noch länger in IVS und DGVFM aktiv. Wie hat dein fachlicher Werdegang deine Sicht auf die Arbeit der Vereinigungen geprägt?
Mein beruflicher und aktuarieller Werdegang war immer eng mit der Entwicklung der Vereinigungen verbunden. Als ich vor 34 Jahren in die DGVFM eingetreten bin, hieß sie noch DGVM, die Finanzen kamen erst später auch im Namen dazu. Die Gründung und Entwicklung der DAV habe ich intensiv begleitet, da ich in meiner damaligen Aufgabe bei PwC nicht nur in der betrieblichen Altersversorgung
tätig war, sondern auch die Rolle als Chief Insurance Actuary innehatte. Ich erinnere mich noch gut an die Einführung versicherungsmathematischer Methoden bei der Überprüfung von Schadenreserven im Rahmen von Jahresabschlussprüfungen Mitte der 90er-Jahre, an meine Mitgliedschaft in der Arbeitsgruppe Schadenreservierung, die Mitautorenschaft bei einem Artikel zur Bewertung und Bilanzierung des im Jahr 2000 eingeführten gesetzlichen Beitragszuschlags in der privaten Krankenversicherung und meine Mitwirkung in der Arbeitsgruppe „Internationale Rechnungslegung“ zur Erstellung eines ersten Grundlagenpapiers zur Bilanzierung des deutschen Lebensversicherungsgeschäfts unter IFRS. Außerdem habe ich die Einführung des Prüfungsfachs Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen mit initiiert und etliche Jahre den Prüfungsausschuss dieses Faches geleitet. Und das ist nur ein Auszug der Themen, die mich damals nicht nur im Beruf, sondern auch in der DAV beschäftigt haben.
Nach meinem Wechsel zu Mercer habe ich mich dann in meinem Verbandsengagement zunehmend auf die betriebliche Altersversorgung konzentriert. Diese Fokussierung hat mir noch einmal verdeutlicht, wie wichtig es ist, dass das IVS nicht nur die fachlichen Grundlagen sichert, sondern die daraus gewonnenen Positionen als starke, unabhängige Expertenvereinigung auch im gesellschaftlichen und politischen Umfeld begreiflich machen kann.
Was steht ganz oben auf deiner Agenda?
In den kommenden Wochen und Monaten müssen wir den Koalitionspartnern bzw. der neuen Bundesregierung die wichtigsten Baustellen im Bereich der Altersversorgung aufzeigen. Dies werden wir sowohl durch gezielte Veröffentlichungen als auch durch Gespräche auf der Arbeitsebene tun. Die Reform der Alterssicherung und der generationengerechten Finanzpolitik braucht langfristige Konzepte
und eine sachlich fundierte Diskussion. Wir Aktuarinnen und Aktuare können und müssen hier als unabhängige Expertinnen und Experten Impulse setzen.