Aktuarielle Hinweise zu Nach- und Neukalkulation von Unisex-Tarifen in der Privaten Krankenversicherung
Überblick
Infolge eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 1. März 2011 darf bei der Beitragserhebung für Neuverträge ab dem 21. Dezember 2012 der Faktor Geschlecht für die Beitragsbemessung in der Versicherungswirtschaft keine Rolle mehr spielen („Unisex-Kalkulation“). Infolge der Entscheidung des EUGH wurde im Jahr 2012 im Eilverfahren der Fachgrundsatz „Aktuarielle Hinweise zur (Erst)Kalkulation von Unisex-Tarifen in der Privaten Krankenversicherung“ verabschiedet, um den Aktuarinnen und Aktuaren eine Hilfestellung bei der Einführung von Unisex-Tarifen zu geben. Die genaue Ausgestaltung in der nationalen Gesetzgebung war seinerzeit noch unbekannt.
Die von dem DAV-Ausschuss Krankenversicherung eingesetzte Arbeitsgruppe hat sich damit befasst, den bestehenden Hinweis3 dahingehend zu überarbeiten, dass einerseits die damalige Unsicherheit bzgl. der gesetzgeberischen Umsetzung eliminiert wird und andererseits die inzwischen gesammelten Erfahrungen seit der Einführung der Unisex-Tarife einfließen. Dabei liegt der Fokus nicht mehr so stark auf der Erstkalkulation, sondern in erhöhtem Maße auch auf Erfordernissen im
Rahmen der Nachkalkulation.
Dieser Hinweis gibt dem Aktuar der Krankenversicherung eine Hilfestellung für die Neu- und Nachkalkulation von geschlechtsunabhängigen Beiträgen in der deutschen Privaten Krankenversicherung. Es werden Empfehlungen ausgesprochen, wie dabei prinzipiell vorgegangen werden kann oder sollte. Dazu werden auch Methoden vorgestellt, wie sich aus geschlechtsabhängigen Statistiken durch geeignete Mischungen der geschlechtsabhängigen Rechnungsgrundlagen risikogerechte Unisex-Beiträge berechnen lassen. Zu beachten sind dabei auch die Auswirkungen des Tarifwechselrechts gemäß § 204 VVG.
Verbindlichere allgemeingültige Vorgaben, wie beispielsweise die Festschreibung einer bestimmten (einzig) zulässigen Berechnungsmethode oder die Auflage, bestimmte Zahlenwerte zu verwenden, können hingegen nicht gemacht werden. Dies würde einerseits den Gestaltungsrahmen der Aktuarinnen und Aktuare zu sehr einschränken und wäre auch kartellrechtlich kritisch zu sehen. Andererseits hängen die für die Neu- oder Nachkalkulation zu treffenden Annahmen von einer Vielzahl möglicher Fallkonstellationen und unternehmensindividuellen Gegebenheiten ab. Bei jeder Neukalkulation sind die maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben – insbesondere auch die Vorgaben der Krankenversicherungsaufsichtsverordnung (KVAV) – zu beachten.
Dieser Fachgrundsatz betrifft Aktuarinnen und Aktuare, die mit der Aufgabe der Prämienkalkulation für Unisex-Tarife in der Privaten Krankenversicherung betraut sind. Er gilt nicht für die Lebens- und Sachversicherung.
Verbaschiedung
Dieser Hinweis ist durch den Vorstand der DAV am 18.03.2021 verabschiedet worden und ersetzt den gleichnamigen Hinweis vom 28.11.2016, der im Rahmen des Revisionsverfahrens für Fachgrundsätze auf inhaltliche Richtigkeit und Aktualität überprüft und redaktionell leicht überarbeitet wurde.