Von Schadenregulierern zu Partnern für mehr Gesundheit und Lebensqualität
Lebens- und Krankenversicherer agieren in einem hoch dynamischen Umfeld. Politische Rahmenbedingungen, gesellschaftliche Trends und vor allem der medizinische Fortschritt verändern die Geschäftsgrundlagen der Assekuranz stetig und verlangen eine fortlaufende Weiterentwicklung der Produkt- und Servicelandschaft. Welche Trends bestimmen die Diskussion aktuell und wo sind die Akteure besonders gefordert?
Life Science Report 2025 – Prävention im Fokus
Antworten liefert der neue Life Science Report von Munich Re. Im Fokus stehen diesmal fünf Themen: KI im Gesundheitswesen, Fortschritte in der Krebsbehandlung, die Adipositas-Krise, gesundheitliche Folgen des Klimawandels und Prävention. Letztere mag als Topthema im Life Science Report eines Rückversicherers zunächst überraschen. Schließlich ist Gesundheitsprävention als solche weder neu noch in besonderer Weise von medizinischem Fortschritt getrieben.
Wie relevant das Thema für die Schadenquoten der Erstversicherer und damit letztlich für die Profitabilität derselben ist, verrät ein Blick auf die Fakten. So zeigen Munich Re-Daten für Produkte in den Bereichen Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung sowie Critical Illness: Rund
80 Prozent aller Menschen, die sich für ein Lebensversicherungsprodukt interessieren, werden zum Zeitpunkt der Antragstellung als metabolisch gesund eingestuft, sie haben also keine signifikant erhöhten Werte bei Gewicht, Blutdruck, Blutzucker und Blutfetten. Dagegen zeigen 17
Prozent der Antragsteller metabolische Risikofaktoren und bei 3 Prozent liegt bereits eine manifeste kardiovaskuläre Erkrankung vor.
Den über das Gesamtportfolio hinweg guten Ausgangszustand möglichst zu erhalten, ist ein nahe liegendes Ziel. Zumal viele im Versicherungsverlauf entwickelte Diagnosen wie etwa Adipositas, Bluthochdruck und Diabetes Mellitus zu großen Teilen mit gesundem Verhalten zu beeinflussen sind.
Hohes Schadensenkungspotenzial in zentralen Geschäftsfeldern
- Diese und weitere, durch ungesundes Verhalten begünstigte Erkrankungen verursachen weltweit einen Großteil der versicherten Schäden. Ein Überblick: Lebensversicherung: Analysen für den US-amerikanischen Lebensversicherungsmarkt zeigen: Krebs und kardiovaskuläre Erkrankungen sind verantwortlich für 50 Prozent der Gesamtsterblichkeit. Knapp zwei Drittel dieser Todesfälle sind assoziiert mit verhaltensbedingten Risikofaktoren wie Tabakkonsum und schlechter Ernährung sowie deren Folgen, also etwa Bluthochdruck und Übergewicht.
- Berufsunfähigkeit: Im deutschen Markt gehören Psyche (30 Prozent), Krebs (19 Prozent) und Erkrankungen des Bewegungsapparats (19 Prozent) zu den häufigsten Schadensursachen in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Prävention und gesundheitsbewusstes Verhalten haben in allen drei Bereichen enormes Potenzial. Beispiel Krebs: Aktuellen Studien zufolge ließen sich 40 Prozent aller Krebserkrankungen durch gesunde Lebensführung und präventive Maßnahmen wie Impfungen verhindern.
- Critical Illness: Die Schadenhäufigkeit in der Critical- Illness-Versicherung steigt oder fällt mit der Inzidenz von Krebs, kardiovaskulären und zerebrovaskulären Erkrankungen in der Bevölkerung. Prävention kann hier ein wirkmächtiger Hebel sein: Prävention durch Gesundheitsaufklärung
und Maßnahmen zur Gesundheitsförderung (Primordialprävention ), die – wie zum Beispiel das Rauchverbot – zur Minderung gesellschaftlicher Risikofaktoren beitragen, sowie spezifisch auf individuelle Risiken abgestimmte Prävention (Primärprävention). - Krankenversicherung: Groß ist das Präventionspotenzial auch in der Krankenversicherung. Hier gehen laut einer neuen, im US-Markt durchgeführten Studie rund 27 Prozent der Ausgaben auf das Konto verhaltensabhängiger und damit vermeidbarer Risikofaktoren. An der Spitze stehen
kardiovaskuläre Erkrankungen und Diabetes, die durch hohe BMI-Werte, falsche Ernährung, zu hohe Blutzuckerwerte, Bluthochdruck und Rauchen befördert werden
Konzentration auf die Hauptschadentreiber
Der Blick in die einzelnen Geschäftsfelder zeigt: Schadenhäufigkeit und Kosten in der Lebens- und Krankenversicherung ließen sich durch Präventionsmaßnahmen zur Verhaltensänderung in der Gesamtbevölkerung sowie im Hinblick auf individuelle Risiken nachhaltig senken. Um dieses Potenzial bestmöglich zu nutzen, sollten Versicherer sich auf die Hauptschadentreiber konzentrieren: auf kardiovaskuläre Erkrankungen, Krebs und Psyche. Für deren Entstehung sind sechs verhaltensbasierte Risikofaktoren entscheidend mitverantwortlich: Adipositas, ungesunde Ernährung, körperliche Inaktivität, Rauchen, zu viel Alkohol und schlechter Schlaf.
Diese sogenannten „Central 6“ (vgl. Abb.) bieten präventiv die größten Interventionschancen und sollten von Versicherern gezielt adressiert werden, um die Gesundheit und das Wohlbefinden ihrer Versicherten zu verbessern und die Schadenkosten zu senken. Der Weg dahin führt über Präventionsprogramme, welche die allgemeine Gesundheitskompetenz der Versicherten verbessern und personalisierte Anreize zu gesünderem Verhalten geben.
Digitale Tools sind der Schlüssel zum Erfolg
Entscheidend für den Erfolg sind zielgenaue Präventionsimpulse rund um die „Central 6“. Um diese Impulse entwickeln und proaktiv geben zu können, benötigen Versicherer ein präzises Bild von den individuellen Risikoprofilen ihrer Versicherten. Zeichnen lässt sich dieses heute genauer und umfassender denn je: mithilfe digitaler Tools, die Einblicke in Gesundheitsverläufe und Lifestyle-Risiken geben. Diese digitalen Lösungen sind im Zusammenspiel mit Data Analytics der Schlüssel zum Aufbau und zur Umsetzung ebenso effektiver wie effizienter Präventionsstrategien und -maßnahmen.
Fazit
Personalisierte Prävention hebt Potenziale
Über digitale Plattformen und Tools können Versicherer ihre Kunden zudem sehr viel leichter und zielgenauer als noch in der Vergangenheit erreichen: auch mit Informationen zur Gesundheitsvorsorge sowie mit personalisierten Anreizen im Rahmen entsprechender Programme. Dafür sollte künftig zunächst das individuelle Risikoprofil einer versicherten Person mithilfe digitaler Tools ermittelt und analysiert werden, um dann präventiv gezielt bei dem Risikofaktor der „Central 6“ anzusetzen, der den größten Effekt verspricht.
Das wird die Wirksamkeit der Präventionsaktivitäten und deren Nutzen für alle Beteiligten nachhaltig erhöhen. Versicherte profitieren von Anbietern, die sich auf diese Weise für ihr Wohlbefinden einsetzen und gesundes Verhalten belohnen. Das erhöht ihre Loyalität. Zugleich senken so agierende Lebens- und Krankenversicherer ihre Schadenkosten und verschaffen sich damit Wettbewerbsvorteile im Markt. Sprich: Prävention wird durch die neuen digitalen Möglichkeiten effektiver und bringt die Versicherer aus Sicht ihrer Kunden in eine völlig neue Rolle. Regulierer, die bisher erst im Schadenfall sichtbar werden, verwandeln sich in Mehrwertpartner für die eigene Gesundheit und Lebensqualität.