Mehr Spielraum für Infrastrukturinvestments – ein Schritt mit Langzeitwirkung
Bislang waren regulatorische Hürden jedoch ein wesentliches Hemmnis: Die Anlageverordnung schränkte den Investitionsspielraum ein. Mit der im Februar 2025 vom Bundesministerium der Finanzen beschlossenen Reform wurde nun ein entscheidender Schritt getan. Eine neue Quote für Infrastrukturinvestitionen schafft erstmals eigenen Raum im regulatorischen Rahmen – und eröffnet damit neue Möglichkeiten für Pensionskassen, Sterbekassen und kleine Versicherungsunternehmen, für die die Anlageverordnung gilt.
Deutsche Infrastruktur im Investitionsstau
Deutschland steht vor einer gewaltigen infrastrukturellen Herausforderung. Bröckelnde Brücken, rissige Straßen und sanierungsbedürftige Schulen prägen vielerorts das Bild – ein Zustand, der nicht nur die Lebensqualität der Bevölkerung, sondern auch die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts belastet. Gleichzeitig verlangt der Umbau hin zu einer nachhaltigen, digitalen Wirtschaft gewaltige Investitionen in neue Infrastruktur – von Verkehrswegen über Stromnetze bis hin zu Datenautobahnen. Deutsche Infrastruktur im Investitionsstau Die öffentliche Hand allein kann den milliardenschweren In-vestitionsbedarf nicht stemmen. Die Mobilisierung privaten Kapitals ist daher kein Luxus, sondern eine Notwendig-keit. Institutionelle Investoren wie Pensionskassen und Versicherungen können hier eine tragende Rolle spielen – vorausgesetzt, die regulatorischen Rahmenbedingungen bieten die nötige Flexibilität. Genau hier setzt die jüngste Reform der Anlageverordnung an.
Auszug aus § 1 Abs. 19 Nr. 23a des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB)
„Infrastruktur-Projektgesellschaften sind Gesellschaften, die nach dem Gesellschaftsvertrag oder der Satzung gegründet wurden, um dem Funktionieren des Gemeinwesens dienende Einrichtungen, An-lagen, Bauwerke oder jeweils Teile davon zu errichten, zu sanieren, zu betreiben oder zu bewirtschaften.“
Die neue Infrastrukturquote hat eine Signalwirkung
Mit der Achten Verordnung zur Änderung von Verordnungen nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz (8. VAG-VÄndV), die am 6. Februar 2025 vom Bundesministerium der Finanzen umgesetzt wurde, erhalten durch die Anlageverordnung regulierte Investoren erstmals eine eigene Infrastrukturquote in Höhe von 5 Prozent des Sicherungsvermögens. Dieser Schritt markiert einen Paradigmenwechsel in der Regulierung: Durch die Anlageverordnung regulierte Investoren können nun zusätzlich bis zu fünf Prozent ihres Sicherungsvermögens speziell in Infrastrukturprojekte investieren, ohne dass dafür andere Quoten belastet werden.
Die neue Quote ergänzt bestehende Quotenregelungen – insbesondere die Beteiligungsquote (15 Prozent) und die Risikoquote (nun 40 Prozent). Sie erlaubt direkte wie indirekte Beteiligungen an Infrastrukturprojekten und -unternehmen und lässt sich flexibel mit anderen Quoten kombinieren. Damit eröffnet sie nicht nur neue Anlagemöglichkeiten, sondern schafft auch Spielräume innerhalb bestehender Portfolios.
Offene Definition macht die Umsetzung komplex
Trotz der positiven Impulse bringt die Neuregelung auch Herausforderungen mit sich. Problematisch ist dabei be-sonders die fehlende gesetzliche Definition des Begriffs „Infrastruktur“: Weder die Anlageverordnung selbst noch ihre Begründung liefern eine klare Abgrenzung. Orientierung bieten derzeit vor allem § 1 Abs. 19 Nr. 23a des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) sowie das Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI-Gesetz). Diese Unsicherheit kann die Investitionsbereitschaft bremsen.
Zudem ist die Umsetzung in der Praxis anspruchsvoll. Illiquide Anlagen wie Infrastrukturprojekte erfordern nicht nur fundiertes Know-how und ein robustes Risikomanagement, sondern auch einen langen Atem: Projektprüfung, Allokationsentscheidungen und Kapitalabrufe können sich über Jahre erstrecken. Viele Anleger werden daher zunächst prüfen, ob sich bestehende Investitionen unter der neuen Quote verbuchen lassen, bevor sie neue Engagements eingehen.
ELTIF-Reform ergänzt Reform in der zweiten Säule der Kapitalmobilisierung
Ergänzend zur Reform der Anlageverordnung hat der Gesetzgeber kurz auch die Verordnung für European Long-Term Investment Funds (ELTIF) überarbeitet. Die ELTIF-2.0-Verordnung, die Anfang 2024 in Kraft trat, soll langfristige Investitionen – etwa in Infrastruktur, kleine und mittlere Unternehmen oder Nachhaltigkeitsprojekte – attraktiver machen. Die überarbeitete Regulierung bietet mehr Flexibilität, geringere Einstiegshürden und könnte so auch für institutionelle Investoren an Relevanz gewinnen, wenn der Fokus auch primär auf Privatanlegern liegt.
Ein Konkurrenzverhältnis zwischen institutionellen und privaten Anlegern ist dabei nicht zu erwarten – der Kapital-bedarf im Infrastruktursegment ist hoch genug, um beiden Gruppen Chancen zu bieten. Vielmehr ist die ELTIF-Reform ein weiteres Signal an den Markt: Infrastruktur soll kein Nischenprodukt bleiben, sondern ein zentraler Bestandteil zukunftsgerichteter Kapitalallokation werden.
Reformen eröffnen langfristige Perspektiven für Investoren
Infrastrukturinvestments bieten nicht nur volkswirtschaftliche Vorteile. Für Investoren zeichnen sie sich durch planbare Rückflüsse, langfristige Verträge, häufig eingebauten Inflationsschutz und eine hohe Resilienz bei niedriger Volatilität aus. Die breite Streuung über Sektoren wie Energie, Transport, digitale Netze oder soziale Infrastruktur erlaubt außerdem eine effiziente Diversifikation innerhalb der Anlageklasse.
Die Reform der Anlageverordnung markiert den Übergang zu einer strategischeren Rolle institutioneller Anleger bei der Finanzierung der gesellschaftlichen Transformation. Kurzfristig ist nicht mit einer sprunghaften Neuausrichtung der Portfolios zu rechnen – dafür ist der Anlageprozess zu komplex. Aber mittel- bis langfristig kann die neue Infrastrukturquote dazu beitragen, privates Kapital in großem Stil für das Gemeinwohl zu mobilisieren.
Fazit
Infrastrukturinvestitionen sind Schlüsselfaktor für Resilienz und Zukunftsfähigkeit
Die neue Infrastrukturquote in der Anlageverordnung und die Reform der ELTIF-Verordnung setzen wichtige Impulse für eine dringend benötigte Investitionswende. Wenn es gelingt, in den Definitionen regulatorische Klarheit zu schaffen, Prozesse effizient zu gestalten und passende Projekte zu identifizieren, können durch die Anlageverordnung regulierte Investoren künftig einen noch entscheidenderen Beitrag zur Erneuerung der deutschen Infrastruktur und der nachhaltigen Transformation der Gesellschaft leisten. Das stärkt nicht nur ihre eigene Renditebasis, sondern auch den Wirtschaftsstandort.
Auszug aus § 2 Abs. 10 des Gesetzes über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI-Gesetz)
"Kritische Infrastrukturen im Sinne dieses Gesetzes sind Einrichtungen, Anlagen oder Teile davon, die den Sektoren Energie, Informationstechnik und Telekommunikation, Transport und Verkehr, Gesundheit, Wasser, Ernährung, Finanz- und Versicherungswesen sowie Siedlungsabfallentsorgung angehören und von hoher Bedeutung für das Funktionieren des Gemeinwesens sind, weil durch ihren Ausfall oder ihre Beeinträchtigung erhebliche Versorgungsengpässe oder Gefährdungen für die öffentliche Sicherheit eintreten würden.“