Aktuarielle Expertise bei KI-Einsatz nutzen

Durch KI gewonnene neue und genauere Daten erlauben eine bessere Bewertung des Risikos. So kann auch der Versicherungsschutz individueller an den Kunden angepasst werden. Beispielsweise wäre hier die Nutzung von Sensorik-Daten im Auto zu nennen. Hinzu kommt, dass bislang unstrukturierte Daten mittels KI besser analysiert werden können. Dadurch verbessert sich auf Versicherer-Seite das Risikoverständnis, was die Versicherbarkeit in allen Sparten erhöhen kann. Risiken, die bislang nicht versicherbar sind, könnten also durch dann zur Verfügung stehende neue Daten überhaupt erst versichert werden. Auch Präventionsempfehlungen und damit Schadenverminderung sind mittels KI möglich. Erwartbar sind zudem Prozessoptimierungen im Versicherungsunternehmen: angefangen mit digitalen Abschlussmöglichkeiten, über schnellere und effizientere Schadenabwicklung und Leistungsregulierung, bis hin zum Schutz vor Versicherungsbetrug im Sinne des Versichertenkollektivs. KI kann außerdem zu stärkerer Objektivierung und damit diskriminierungsfreien Entscheidungen beitragen.
Rolle der Aktuarinnen und Aktuare
Als Berufsverband gibt die Deutsche Aktuarvereinigung e.V. ihren Mitgliedern zu berücksichtigende Fachgrundsätze an die Hand. Diese unterstützen Aktuarinnen und Aktuare in ihrer Rolle als Hüter des Versichertenkollektivs. Auch ermöglicht die Vereinigung ihren Mitgliedern die gezielte Weiterbildung. Dazu gehört etwa die zum Certified Actuarial Data Scientist (CADS), versicherungsmathematische Spezialisten an der Schnittstelle von Datenverarbeitung, Datenschutz, Data Science-Anwendungen und Programmierung. Aktuarinnen und Aktuare verfügen über eine breite Daten- und Modellierungsexpertise sowie umfassende Methodenkompetenz, stellen die Einhaltung von Regeln sowie Vorgaben sicher und dienen als Vermittler komplexer Themen. In der Frage der Erklärbarkeit von KI-Modellen können sie insofern unterstützen und das Vertrauen in deren Anwendung stärken. Hinzu kommt, dass sie potenziell diskriminierende Ergebnisse schnell erkennen und beheben können. Die sinnvolle Anwendung von KI-Komponenten in der Versicherungsbranche setzt hohes Domänenwissen voraus, über das Aktuarinnen und Aktuare verfügen und mit dem sie zu einem fachlich stimmigen Ansatz bei der Implementierung von KI in der Versicherungsbranche beitragen können. Sie stehen den Versicherern bei einer möglichen Selbstregulierung als Berater und Ansprechpartner zur Verfügung.
Aktuelle Gesetzeslage
Die Versicherungsbranche hat im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbereichen durch umfangreiche nationale sowie europäische Gesetze und Regulierungen sehr hohe Anforderungen zu erfüllen. Zu nennen sind etwa das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG), das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und die Insurance Distribution Directive (IDD). Durch Solvency II gibt es europaweit einheitliche Anforderungen an das Risikomanagement. Hinzu kommen spezifische Anforderungen durch das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG), das beispielsweise Diskriminierung bei der Prämienkalkulation verhindern soll, und die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die die Daten von natürlichen Personen schützt. Da Versicherungen als immaterielle Produkte ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen erfordern, ist es seit jeher Teil des Selbstverständnisses der Versicherer, diese Vorgaben verantwortungsvoll umzusetzen.
Risiko: Doppelregulierung und höhere Kosten
Bei der Ausgestaltung einer europäischen Gesetzgebung zur Künstlichen Intelligenz (EU AI Act) besteht das nicht unerhebliche Risiko, bereits bestehende Anforderungen aus anderer Regulierung doppelt zu formulieren. So können Unklarheiten und aufgrund von Dokumentations- und Berichtspflichten Mehraufwand in Verwaltung und Governance entstehen. Das bedeutet höhere Kosten zu Lasten des globalen Wettbewerbs sowie von Innovation und Produktentwicklung. Auch ist die bisherige Technologieoffenheit von Regularien und Aufsicht in Gefahr. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat sich als Aufsichtsbehörde mit technologieneutralem Ansatz bewährt.
Fazit
KI bietet im Versicherungsumfeld viele Chancen für effizientere Abläufe, neue Produkte und einen höheren Grad an Versicherbarkeit von Risiken. Eine Regulierung von KI-Anwendungen ist begrüßenswert, da sie Rechtssicherheit sowie Vertrauen in die Anwendungen schafft. Aus Sicht der Deutschen Aktuarvereinigung sollten die Vorgaben des kürzlich verabschiedeten AI Acts aus den genannten Gründen so umgesetzt werden, dass eine Konsistenz zur bereits vorhandenen Regulierung sichergestellt ist.
Positionen der DAV
- Die Deutsche Aktuarvereinigung betrachtet Künstliche Intelligenz als einen bedeutenden technologischen Entwicklungsschritt, der viele Chancen eröffnet. Zugleich gilt es, die Risiken zu bewerten und zu managen. Der Aktuar/die Aktuarin und das Domänenwissen spielen dabei in der KI-Governance eine wichtige Rolle.
- Mit Einführung des AI-Acts ist eine Doppelregulierung für die Versicherungsbranche zu vermeiden. Für eine sachgerechte KI-Aufsicht ist die Bafin der kanonische Partner. Wir erwarten dabei die Beibehaltung der Methoden- und Technologieneutralität. Prüfungen sollen ähnlich wie bei Solvency II risikoorientiert und proportional sein.