Aktuarinnen und Aktuare in der Lebensversicherung
Im Bereich der Lebensversicherung sind Aktuarinnen und Aktuare traditionell sehr aktiv. Sie befassen sich dabei unter anderem mit den folgenden Tätigkeiten:
Produktentwicklung / Produkt-Controlling
Das vielseitige Aufgabengebiet der Produktentwicklung in der Lebensversicherung verlangt mathematisches und wirtschaftliches Denken ebenso wie Intuition. Durch Marktanalysen über den Versicherungsbedarf gewinnen Aktuare und Aktuarinnen Erkenntnisse zur Änderung bestehender und zur Einführung neuer Tarife. Darauf aufbauend erarbeiten sie die Kalkulation der Prämien und Deckungsrückstellungen sowie technische Festlegungen für den betreffenden Tarif. Dabei haben sie von angemessenen versicherungsmathematischen Annahmen auszugehen. Ein Mittel zur Überwachung dieser Bedingungen ist die Deckungsbeitragsrechnung. Insofern hat sich die bloße Produktentwicklung zu einem umfassenderen Produkt-Controlling erweitert.
Geschäftspläne
Ein Tätigkeitsschwerpunkt der Lebensversicherungsaktuare sind die Geschäftspläne für die Produkte. Diese haben Aktuare und Aktuarinnen in Übereinstimmung mit den Rechtsvorschriften und den von der DAV festgelegten Standards für die Kalkulation aufzustellen. Aktuarinnen und Aktuare sind für die Einhaltung der Geschäftspläne und damit für die Seriosität der mathematischen Grundlagen des Unternehmens ebenso verantwortlich wie dafür, dass die Geschäftspläne den geltenden Rechtsvorschriften entsprechen.
Tarifierung
Eine wesentliche Aufgabe der Aktuare und Aktuarinnen ist auch die Tarifierung, also die individuelle Bewertung des Risikos und der Umsetzung der Risikomerkmale in die Versicherungsprämie. In der Lebensversicherung z. B. ergeben sich hieraus die Risikozuschläge.
Überschussbeteiligung
Nach Aufstellung des Jahresabschlusses müssen Aktuare und Aktuarinnen in der Lebensversicherung eine Nachkalkulation vornehmen. Hierbei wird das Geschäftsergebnis nach den verschiedenen Ursachen seiner Entstehung – Risiko, Kapitalerträge, Storno, Kosten, Rückversicherung und Sonstiges – zerlegt. Daraus resultieren Vorschläge der Aktuare und Aktuarinnen über die Höhe der Überschussbeteiligung der Versicherungsnehmer/-innen und Anregungen für die Weiterentwicklung der Produkte.
Eine besondere Verantwortung obliegt Aktuaren in der Lebensversicherung in ihrer Tätigkeit und Funktion als
Verantwortliche Aktuare gemäß § 141 VAG
- Ein Lebensversicherungsunternehmen hat gemäß § 141 VAG einen Verantwortlichen Aktuar zu bestellen, der eine entsprechende fachliche Ausbildung sowie mindestens drei Jahre Berufserfahrung als Versicherungsmathematiker besitzt. Er wird vom Aufsichtsrat ernannt und ggf. entlassen. Seine Aufgaben sind:
- Sicherstellung, dass die Prämien und Deckungsrückstellungen nach allen rechtlichen Vorschriften und auch so ermittelt werden, dass die Verpflichtungen des Unternehmens auch langfristig erfüllbar sind.
- Pflicht zur Berichterstattung an den Vorstand und zur Bestätigung ordnungsgemäßer Kalkulation in der Bilanz.
- Informationspflicht gegenüber Vorstand und BaFin, wenn er bei der Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben erkennt, dass er möglicherweise die Bestätigung gemäß Nummer 2 nicht oder nur mit Einschränkungen wird abgeben können.
- Vorschläge zur Überschussbeteiligung an den Vorstand.
Der/die Aktuar/-in hat dazu vom Vorstand alle notwendigen Informationen zu erhalten.
Ausschuss Lebensversicherung
Der Vorstand der DAV hat einen ständigen Ausschuss Lebensversicherung eingerichtet. Dieser Ausschuss beschäftigt sich überwiegend mit den folgenden Aufgaben:
Der Ausschuss berät den Vorstand der DAV in allen fachlichen Fragen der Lebensversicherung. Er vertritt die DAV im Auftrag des Vorstandes in fachlichen Fragen zur Lebensversicherung nach außen, etwa in Form von Stellungnahmen zu aktuellen Themen.
Zu den Aufgaben des Ausschusses gehört es, die Qualifikation der Mitglieder der DAV und die Fachkunde in der Praxis zu fördern sowie den in der Lebensversicherung tätigen Aktuarinnen und Aktuaren Orientierungshilfe für ihre Tätigkeiten zu geben. Hierzu entwickelt der Ausschuss insbesondere Fachgrundsätze und Ergebnisberichte, in denen die Grundsätze für eine ordnungsgemäße Ausübung der aktuariellen Tätigkeit niedergelegt sind.
Neben den klassischen aktuariellen Disziplinen, z. B. Herleitung und laufende Überprüfung von Rechnungsgrundlagen wie Biometrie und Rechnungszins, hat der Ausschuss Lebensversicherung Fragen der Bewertung und Steuerung von Lebensversicherungsunternehmen als wichtiges Feld der aktuariellen Analyse etabliert. Insbesondere die Begleitung der Entwicklungen von Solvency II und IFRS, in denen die stochastische Bewertung von Verbindlichkeiten eine bedeutsame Rolle spielt, sind dabei zu nennen.
Nicht zuletzt stellt der Ausschuss zu Themen der Lebensversicherung den Know-how-Transfer zwischen den anderen Fachausschüssen sicher. Dazu kooperiert der Ausschuss Lebensversicherung mit dem oder den anderen betroffenen Ausschuss bzw. Ausschüssen, insbesondere in Fragen der betrieblichen Altersversorgung und der privaten Krankenversicherung.
Die Arbeitsgruppen des Ausschusses Lebensversicherung
Zur Bearbeitung der vielfältigen Themen im Bereich der Lebensversicherung hat der Ausschuss die folgenden aktiven Arbeitsgruppen eingerichtet:
Die Arbeitsgruppe Biometrische Rechnungsgrundlagen des Ausschusses Lebensversicherung befasst sich mit der Herleitung der biometrischen Rechnungsgrundlagen in der Lebensversicherung (insbesondere zu Sterblichkeit, Langlebigkeit und Invalidität), erstellt entsprechende Ausscheideordnungen und überprüft ihre Ergebnisse regelmäßig.
Die Arbeitsgruppe Rechnungszins des DAV-Ausschusses Lebensversicherung überprüft jährlich, inwieweit der in § 2 Absatz 1 der Deckungsrückstellungsverordnung festgelegte Höchstzinssatz für die Berechnung der HGB Deckungsrückstellung auch für das Folgejahr angemessen ist. Aus einer Reihe von Analysen leitet die Arbeitsgruppe unter der Leitung von Dr. Marco Schnurr im Herbst eines jeden Jahres eine Empfehlung ab, die nach Zustimmung des Ausschusses Lebensversicherung und des DAV Vorstandes jeweils Anfang Dezember dem BMF und der BaFin zur Verfügung gestellt und auch öffentlich kommuniziert wird.
Vor dem Hintergrund niedriger und weiter sinkender Zinsen und einer damit verbundenen möglichen Senkung des Höchstrechnungszinses beschäftigt sich die Arbeitsgruppe mit der Frage, wie sich ein sehr niedriger Rechnungszins auf die bilanzielle Finanzierbarkeit von Garantien auswirken würde. Auch kalkulatorische Herausforderungen und Aspekte des Risikomanagements sollen dabei berücksichtigt werden.
Die Arbeitsgruppe untersucht die Möglichkeiten zur Nutzung von Big Data in der Lebensversicherung sowie deren Grenzen. Neben allgemeinen Fragestellungen zur Qualität und zur hinreichenden statistischen Aussagefähigkeit von Daten befasst sich die Arbeitsgruppe auch mit den Implikationen der neuen Möglichkeiten auf bewährte aktuarielle Methoden in der Lebensversicherung (z. B. Produktentwicklung, Reservierung). Darüber hinaus wird auch generell die Bewertung versicherungstechnischer Risiken (z. B. für Prognoserechnungen und die Modellierung im Rahmen von Solvency II) mit Blick auf Big Data analysiert. Hierbei geht es auch um die Frage, welche neuen Methoden und Herangehensweisen im aktuariellen Kontext durch die Nutzung von Big Data sinnvoll sind und den Aktuarinnen und Aktuaren eine bessere Bewertung der versicherungstechnischen Risiken ermöglichen.
Die Arbeitsgruppe befasst sich mit dem Thema der säulenübergreifenden Renteninformation. Ein besonderes Augenmerk liegt hier auf den entsprechenden Plänen, die derzeit von Seiten der Politik vorangetrieben werden. Die Arbeitsgruppe wird diese Entwicklungen verfolgen und bei Bedarf Stellungnahmen aus aktuarieller Sicht erarbeiten.
Ziel der Arbeitsgruppe ist es, Fragen des Verbraucherschutzes aus aktuarieller Sicht zu analysieren. Die Arbeitsgruppe soll daher Gesetzesinitiativen auf nationaler und internationaler Ebene zum Thema Verbraucherschutz begleiten und den Dialog zwischen Verbraucherschützern und Aktuaren strukturieren.
Die Arbeitsgruppe Aspekte der Finanzlage aus Sicht des VA des Ausschusses Lebensversicherung befasst sich mit Themen, die sich im Zusammenhang mit der Bewertung der Finanzlage aus Sicht des Verantwortlichen Aktuars ergeben. Aktuell sind dies aktuarielle Verfahren zur Ermittlung eines geeigneten Garantiezinses sowie eine allgemeine Einordung des § 138 Abs. 1 VAG.
Die Arbeitsgruppe Bestandsmigration in der Lebensversicherung arbeitet schwerpunktmäßig an einer Sammlung und Strukturierung von Ansätzen zur Systematisierung und Vereinfachung von Migrationen in Hinblick auf die Risikominderung und Effizienzsteigerung der Migrationsprozesse. Eine Eruierung der Potenziale von fortgeschrittenen Datenmethoden und -technologien unter Berücksichtigung der Interessen aller Stakeholder wird ebenfalls von der Arbeitsgruppe durchgeführt.
Die Arbeitsgruppe Qualifizierung ist für die unabhängige Qualitätssicherung der Spezialwissenprüfungen im Fach Lebensversicherung verantwortlich. Zu ihren Aufgaben gehört insbesondere die Prüfung und Freigabe der entsprechenden Klausurentwürfe im Hinblick auf die Inhalte, den Schwierigkeitsgrad, die Punktevergabe sowie die Lösungsvorschläge. Zudem beteiligt sich die Arbeitsgruppe an der regelmäßigen Überprüfung der zugrunde liegenden Lernziele auf möglichen Anpassungs- bzw. Aktualisierungsbedarf.
Fachgruppe LEBEN
Fachgruppentagungen von DAV und DGVFM bieten für ihre Mitglieder die Möglichkeit, das erforderliche Praxiswissen auf dem aktuellen Stand zu halten und den Transfer von der wissenschaftlichen Grundlagenarbeit in die Praxis ermöglichen. Zudem fördern sie den Erfahrungsaustausch und das Knüpfen von Netzwerken auf persönlicher Ebene.
Die LEBEN-Fachgruppe befasst sich mit der vollen Bandbreite der in der Praxis relevanten aktuariellen Probleme im Bereich der Lebensversicherung. Sie wurde ins Leben gerufen, um die aktuarielle Forschung und den fachlichen Austausch zu Themen der Lebensversicherung zu fördern. Zu den Schwerpunkten der Fachgruppe gehören u. a. die Fortentwicklung biometrischer Rechnungsgrundlagen, die Steuerung von Kapitalanlagen, die Bewertung von Garantien und Optionen sowie die Umsetzung der Anforderungen, die sich aus der europäischen Rahmenrichtlinie Solvency II ergeben.
Die LEBEN-Gruppe wird geleitet von Dr. Dr. Michael Fauser und Prof. Dr. Hans-Joachim Zwiesler.
Die Tagungen der LEBEN-Fachgruppe finden zweimal jährlich während der Jahrestagung von DAV und DGVFM Ende April und der Herbsttagung im November statt. Die Teilnahme ist jedem/jeder Interessierten möglich und nicht auf Mitglieder der DAV oder der DGVFM beschränkt.
Alle aktuellen Informationen zum Termin und den Inhalten der nächsten LEBEN-Fachgruppentagung finden Sie unter Veranstaltungen.
Veröffentlichungen
Der Ausschuss Lebensversicherung der DAV erarbeitet fachliche Standards, begleitet im Bereich der Lebensversicherung tätige Aktuarinnen und Aktuare in ihrer spezifischen Tätigkeit und gibt ihnen maßgebliche Leitlinien für ihre Arbeit an die Hand.
Erfahren Sie mehr über die Fachgrundsätze und Ergebnisberichte des Ausschusses Lebensversicherung, in dem Sie auf dem entsprechenden Bereich der Webseite die Kategorie Lebensversicherung auswählen.