Aktuare und Aktuarinnen im Enterprise Risk Management/Solvency II
Risikomanagement ist ein modernes Arbeitsfeld, das sich aktuell in der Entwicklung und im Wandel befindet. Doch gerade die dadurch entstehenden Mitgestaltungsmöglichkeiten in der Aufbauphase sowie das breite Spektrum an Aufgaben und Einsatzmöglichkeiten machen das Risikomanagement zu einem bedeutenden und attraktiven Arbeitsfeld für Aktuarinnen und Aktuare.
Aktuare und Aktuarinnen übernehmen im Risikomanagement eine zentrale Rolle, denn sie sind in alle wichtigen Schritte des Versicherungsbetriebs eingebunden: Produktentwicklung, Preisgestaltung, Aktiv-Passiv-Steuerung, Reservebildung, Bewertung des ökonomischen Kapitals uvm. Außerdem bestehen wichtige Aufgaben des Risikomanagements darin, künftige Entwicklungen vorauszusehen, zu prognostizieren und auf diese Entwicklungen vorbereitet zu sein. Gerade durch die Art ihrer Ausbildung verfügen Aktuare und Aktuarinnen über die entsprechenden Fähigkeiten für diese Aufgaben.
Enterprise Risk Management (ERM)
ERM geht über das Risikomanagement im klassischen Sinne weit hinaus. Es beschränkt sich nicht auf die Gefahren, die mit den Risiken im Unternehmen verbunden sind, sondern es bezieht auch das Ertragspotenzial der Risikoübernahme mit ein. Damit ist es auch umfassender, als die in Solvency II beschriebenen Aufgaben der Risikomanagement-Funktion. Neben der gewohnten Quantifizierung von Risiken gewinnen zunehmend qualitative Elemente des Risikomanagements, wie die Risikostrategie, die Risikokultur sowie eine adäquate Aufbau- und Ablauforganisation im Unternehmen an Bedeutung.
Durch ihre Beteiligung an einer internationalen Initiative zur Fortbildung von Aktuaren im Bereich des ERM hat die DAV auf den wachsenden Bedarf an Experten im Bereich des Risikomanagements reagiert. Nach Abschluss dieser international standardisierten Zusatzausbildung erwerben Aktuare und Aktuarinnen den Titel „Certified Enterprise Risk Actuary (CERA)“, um ihre besondere Fachkompetenz im ERM nach außen zu dokumentieren. Damit sind sie gleichzeitig bestens vorbereitet, um die neuen Risikomanagement-Aufgaben unter Solvency II zu übernehmen.
Ausschuss Enterprise Risk Management
Der Ausschuss Enterprise Risk Management befasst sich neben der Arbeit an aktuariellen Risikomodellen auch mit organisatorischen und prozessualen Fragen des Risikomanagements. Darüber hinaus fördert der Ausschuss die beruflichen Interessen der in diesem Bereich in Deutschland praktisch tätigen Aktuarinnen und Aktuare, sei es in der Versicherungswirtschaft, in Beratungshäusern, Finanzinstituten, Behörden oder in Forschung und Lehre.
Der Ausschuss versteht es als seine Aufgabe, die Qualifikation der DAV-Mitglieder und die Fachkunde in der Praxis zu fördern, die Gremien der DAV, insbesondere den Vorstand, in allen fachlichen Fragen zu beraten und sich dabei mit weiteren zuständigen Gremien innerhalb der DAV abzustimmen sowie den steten Informations- und Erfahrungsaustausch mit Partnerorganisationen, Behörden und anderen Vereinigungen zu pflegen.
Darüber hinaus bildet die Unterstützung der DAA in allen Fragen der Aus- und Weiterbildung von Aktuarinnen und Aktuaren im Bereich des Risikomanagements mit weiteren Schwerpunkt der Ausschussarbeit. Der Ausschuss ist auch für fachliche die Betreuung der aktuariellen Aus- und Weiterbildung im Bereich Risikomanagement zuständig und zeichnet für die Zusatzqualifikation „Certified Enterprise Risk Actuary“ (CERA) verantwortlich.
Die im Ausschuss vertretenen Mitglieder bilden das gesamte Spektrum an Tätigkeits- und Kompetenzfeldern der in der Schaden- und Unfallversicherung tätigen Aktuarinnen und Aktuare ab. Dabei wird großer Wert darauf gelegt, dass dies insbesondere hinsichtlich Versicherungszweigen, Institutionen und spezieller Methodenkompetenz gewährleistet ist.
Risk Book der International Actuarial Association
Die International Actuarial Association (IAA) hat unter Mitwirkung von Mitgliedern der DAV ein umfangreiches Risk Book erstellt, das allen interessierten Personen auf der Webseite der IAA zur Verfügung steht. Das Risk Book stellt fachliche Informationen zum Themenfeld des Enterprise Risk Managements bereit, wobei die Darstellung nicht nur auf ein Fachpublikum abzielt. Somit eignet sich das Risk Book auch als Einstieg für Aktuarinnen und Aktuare mit anderen Tätigkeitsschwerpunkten. Das Risk Book wird laufend überarbeitet und um neue Kapitel ergänzt.
Arbeitsgruppen des Ausschusses Enterprise Risk Management
Zur Bearbeitung der vielfältigen Themen im Bereich des Risikomanagement hat der Ausschuss die folgenden aktiven Arbeitsgruppen eingerichtet:
Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit dem Risikomanagement im Zusammenhang mit der ökonomischen Bewertung gemäß Solvency II. Zu ihren Aufgaben gehört die Erstellung von Hilfestellungen für die Versicherungsmathematischen Funktionen (VMFs) aller Sparten hinsichtlich der Nachhaltigkeit in der Zeichnungs- und Annahmepolitik, der Integration von Taxonomie-Aspekten, der Auswirkungen der Inflation auf die VMF-Tätigkeiten sowie die Anregung zur wissenschaftlichen Untersuchung der Kapitalanlageverwaltungskosten, um eine angemessene Parametrisierung zu entwickeln.
Die Arbeitsgruppe untersucht die naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels und gibt einen Überblick über gängige Szenarien und Modelle zur Bewertung der Auswirkungen des Klimawandels auf Versicherungsunternehmen. Sie plant, sich mit Themen wie Kipppunkten, Biodiversität sowie den Auswirkungen des Klimawandels auf Mortalität, Morbidität und Naturgefahren zu beschäftigen. Zudem wird die Gruppe eine Hilfestellung zur konkreten Modellierung von Klimaszenarien für Aktuare entwickeln.
Die Arbeitsgruppe ist dafür zuständig, anstehenden Konsultationen systematisch zu begegnen. Sie informiert die Mitglieder über relevante Konsultationen und entscheidet, ob eine Stellungnahme ausgearbeitet werden soll. Die AG erstellt dann gemeinsam die Kommentierung, die im Ausschuss ERM abgestimmt wird. Nach der finalen Abstimmung wird die Stellungnahme an die entsprechenden Ansprechpartner in der AAE übermittelt oder direkt eingereicht.
Die Arbeitsgruppe konzentriert sich auf alle Aspekte des Risikomanagements im Zusammenhang mit dem ORSA-Prozess. Zudem behandelt sie die Aufgaben der Risikomanagementfunktion, einschließlich der Unabhängigen Risikocontrollingfunktion, gemäß den Vorgaben der Solvency II-Rahmenrichtlinie.
Die Arbeitsgruppe konzentriert sich auf aktuariellen Fragestellungen zu Risikomodellen in der Lebensversicherung und beteiligt sich an nationalen sowie internationalen Konsultationen. Sie erstellt bei Bedarf Fachpapiere zu ausgewählten Themen und untersucht derzeit die Vorschläge zum Volatility Adjustment. Jüngste Ergebnisberichte befassten sich mit Kennzahlen, den Auswirkungen der Inflation, der Segmentierung des Bestands bei der Berechnung von Versicherungstechnischen Stresstests sowie der Bestimmung zukünftiger Überschussbeteiligungen und Überschussfonds für neuartige Produkte.
Die Arbeitsgruppe untersucht aktuariellen Fragestellungen zu internen Modellen am Beispiel der fiktiven Feldafinger Brandkasse. Sie hat bereits zahlreiche Fachartikel zu diesem Thema verfasst, die regelmäßig in der Mitgliederzeitschrift “DAV Journal” (ehemals "Der Aktuar") veröffentlicht werden.
Veröffentlichungen des Ausschusses
Der Ausschuss Enterprise Risk Management der DAV beobachtet und analysiert die Entwicklungen und Risiken im Bereich des Risikomanagements genau und erarbeitet kontinuierlich Ausarbeitungen in Form von Fachgrundsätzen und Ergebnisberichten, um den in diesem Bereich tätigen Aktuarinnen und Aktuaren Hilfestellungen an die Hand geben zu können, die bei der Ausführung aktuarieller Aufgaben unterstützen.
Erfahren Sie mehr über die Fachgrundsätze und Ergebnisberichte des Ausschusses Enterprise Risk Management, in dem Sie auf dem entsprechenden Bereich der Webseite die Kategorie Risikomanagement auswählen.
Aktuare und Solvency II
Solvency II ist ein europäisches Projekt, das die EU-weite Harmonisierung des Aufsichtsrechts in Versicherungen verfolgt und diese mit den aufsichtsrechtlichen Regelungen für Kreditinstitute in Einklang bringen will. Mit Solvency II sollen die heutigen Solvabilitätsvorschriften für Versicherungsunternehmen, also die Anforderungen an die vorzuhaltenden Eigenmittel, zu einem risikobasierten Aufsichtssystem weiterentwickelt werden.
Drei-Säulen-Modell
Dabei soll ein ganzheitliches System, welches die Gesamtsolvabilität der Unternehmen in den Blick nimmt, in Form eines Drei-Säulen-Modells aufgebaut werden. Die erste Säule beinhaltet die quantitativen Solvenzanforderungen, also die Bewertungsmethoden und -modelle, mit denen das Solvenzkapital (Solvency Capital Requirement, SCR) berechnet wird. Das SCR wird entweder mit einer vorgegebenen Standardformel oder über ein vom Unternehmen selbst entwickeltes Internes Modell errechnet. Die erste Säule definiert weiter die Anforderungen an die von den Versicherungsunternehmen vorzuhaltenden Eigenmittel, um die eingegangenen Risiken jederzeit bedecken zu können. In der zweiten Säule werden zudem Vorgaben für das interne Risikomanagement gemacht, deren Herzstück die unternehmenseigene Risiko- und Solvenzbewertung darstellt (Own Risk and Solvency Assessment, ORSA). Abgerundet wird dies durch umfangreiche Berichts- und Offenlegungsvorschriften in Säule 3. Darüber hinaus strebt die European Insurance and Occupational Pensions Authority EIOPA, die europäische Aufsichtsbehörde, die Konvergenz der nationalen Versicherungssysteme an.
Versicherungsmathematische Funktion
Mit Solvency II wird zudem die versicherungsmathematische Funktion („actuarial function“) eingeführt, welche zahlreiche Kalkulations- und Bewertungsanforderungen zu erfüllen hat, für die Aktuarinnen und Aktuare aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation und ihrer Mitgliedschaft in einer Standesorganisation wie der DAV im besonderen Maße geeignet sind. Auch die unter Solvency II vorgesehene Risikomanagementfunktion („risk management function“) bietet ein anspruchsvolles Einsatzgebiet für entsprechend ausgebildete Aktuarinnen und Aktuare.
Für die DAV ist es daher von besonderer Bedeutung, auf allen Ebenen an den Diskussionen rund um die Ausgestaltung von Solvency II aktiv teilzunehmen. Hierzu veranlasst bzw. koordiniert sie Stellungnahmen und Arbeitspapiere, die vor allem der AAE (Actuarial Association of Europe, früher Groupe Consultatif) zur Verfügung gestellt werden. In der AAE, die als Mitglied der Stakeholdergroup ein wichtiger Ansprechpartner von EIOPA bei der Einführung von Solvency II ist, wird dieses Thema in einem eigenen Solvency-II-Projekt bearbeitet, in dem die DAV auf Arbeitsebene von Beginn an intensiv mitarbeitet. Seit Frühjahr 2013 stellt sie zudem einen der beiden Projektleiter.
Sustainability
Die Koordinationsgruppe Sustainability wurde am 03. Februar 2021 durch den Ausschuss Enterprise Risk Management eingerichtet, um fortan als Schnittstelle zwischen den im Bereich Nachhaltigkeit und Klimawandel eingesetzten Arbeitsgruppen der Ausschüsse der DAV zu fungieren.
Die Koordinationsgruppe bündelt die Arbeiten der DAV rund um das Thema Nachhaltigkeit und Klimawandel. Sie beobachtet aktuelle nationale und internationale Veröffentlichungen und erarbeitet Positionen zu nachhaltigkeitsbezogenen Konsultationen nationaler wie auch internationaler Stakeholder.
Ziel der Koordinationsgruppe Sustainability ist es, die Arbeiten der DAV an diesem wichtigen und zukunftsweisenden Thema weiter voranzutreiben und als gremienübergreifende Instanz alle Ausarbeitungen der DAV im Umfeld Nachhaltigkeit und Klimawandel miteinander in Einklang zu bringen. Das Thema Kommunikation mit der Mitgliedschaft ist für die Koordinationsgruppe ein zentrales Element.
Innerhalb der Koordinationsgruppe sollen sämtliche Positionen vertreten sein, sodass auf eine breite Besetzung geachtet wurde. Im Detail sind in der Koordinationsgruppe Sustainability Vertreter aus (Unter-)Arbeitsgruppen der folgenden DAV-Gremien vertreten:
- Der Fachausschuss Altersversorgung (AG Kapitalanlagen, AG Solvabilität und Risikosteuerung)
- Der Ausschuss Enterprise Risk Management (AG ORSA/RMF, AG VMF, AG Klimaszenarien, AG Risikomodelle Schaden- und Unfallversicherung)
- Der Ausschuss Investment (AG Nachhaltige Investments, AG Nachhaltigkeitsrisiken für Investments)
- Der Ausschuss Krankenversicherung (AG Gesundheitstrends)
- Der Ausschuss Lebensversicherung
- Der Ausschuss Rechnungslegung und Regulierung (AG Pflichtberichterstattung zur Nachhaltigkeit)
- Der Ausschuss Schadenversicherung (AG Klimawandel)
Darüber hinaus sind in der Koordinationsgruppe Sustainability Vertreter der IAA Climate Risk Taskforce, des IAA Insurance Regulation Committees, der AAE Working Group „Sustainability and Climate-related-Risks“, des GDV sowie der BaFin vertreten.
Zusatzqualifikation CERA im Enterprise Risk Management
Durch ihre Beteiligung an einer internationalen Initiative zur Fortbildung von Aktuarinnen und Aktuaren im Bereich des Enterprise Risk Management (ERM) hat die DAV auf den wachsenden Bedarf an Expertinnen und Experten im Bereich des Risikomanagements reagiert. Nach Abschluss dieser international standardisierten Zusatzausbildung erwerben Aktuarinnen/Aktuare den Titel „Certified Enterprise Risk Actuary (CERA)“, um ihre besondere Fachkompetenz im ERM nach außen zu dokumentieren. Damit sind sie gleichzeitig bestens vorbereitet, um die neuen Risikomanagement-Aufgaben unter Solvency II zu übernehmen. Nähere Informationen zu den Inhalten der Zusatzausbildung sind unter “CERA-Ausbildung” zu finden.
Veranstaltungen
Fachgruppentagungen von DAV und DGVFM für ihre Mitglieder bieten die Möglichkeit, das erforderliche Praxiswissen auf dem aktuellen Stand zu halten und den Transfer von der wissenschaftlichen Grundlagenarbeit in die Praxis zu ermöglichen. Zudem fördern sie den Erfahrungsaustausch und das Knüpfen von Netzwerken auf persönlicher Ebene.
Die Fachgruppe AFIR (Actuarial Approach for Financial Risk) / ERM (Enterprise Risk Management) ist der AFIR/ERM-Section der IAA eng verbunden und befasst sich vorrangig mit Risiko- und Ertragsfragen der Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen sowie generell mit der Bewertung und Steuerung von Finanzinstrumenten. Die Fachgruppe ist somit spartenübergreifend organisiert, auch wenn eine besondere Nähe zu den Themen der Lebensversicherung besteht. Sie wird geleitet von Prof. Dr. Raimond Maurer, Dr. Aristid Neuburger, Dr. Michael Renz und Dr. Frank Schiller.
Alle aktuellen Informationen zum Termin und den Inhalten der nächsten AFIR/ERM-Fachgruppentagung finden Sie unter „Events“ in den Bereichen Jahres- und Herbsttagung, da die Fachgruppen in diesem Rahmen gemeinsam tagen.