Neue DAV-Vorsitzende zu Reform der Alterssicherung: „Das, was wir sehen, reicht bei weitem nicht.“

An der von der ARD-Moderatorin Melanie Böff moderierten Podiumsdiskussion zum Thema „Von Fonds und Risikogemeinschaften: Perspektiven für ein zukunftsfähiges Rentensystem“ nahmen neben Susanna Adelhardt weitere Expertinnen und Experten zum Themengebiet Alterssicherung und Soziales teil. Kernthema waren die drei Säulen, bestehend aus Gesetzlicher Rentenversicherung, betrieblicher Altersversorgung und privater Altersvorsorge sowie der internationale Vergleich dieses Modells.
Koalitionsvertrag – „kein großer Wurf“
Mit Blick auf die im Koalitionsvertrag veröffentlichten Pläne bemerkt die neue Vorsitzende der DAV, die Rentenpolitik von CDU/CSU und SPD zeige zwar grundsätzlich den politischen Willen, das bestehende Alterssicherungssystem zu stabilisieren, aber: „Wir sind in Deutschland angesichts des demografischen Wandels viel zu spät dran. Es bedarf daher in dieser Legislaturperiode massiver Anstrengungen und den Mut zu einem wirklich großen Wurf, um die Alterssicherung zukunftsfest zu machen. Dieser Mut, sich auch den unbequemen Fragen zu stellen, fehlt im Koalitionsvertrag. Die Ansätze, die genannt sind, behandeln Symptome, nicht die eigentlichen Herausforderungen.“
Beitragslast wird deutlich steigen
Dennoch ist positiv hervorzuheben, dass alle drei Säulen – gesetzliche Rente, betriebliche Altersversorgung (bAV) und private Vorsorge – grundsätzlich berücksichtigt werden. Allerdings bleibt der Koalitionsvertrag in vielen Punkten noch sehr zurückhaltend, etwa zur Ausgestaltung kapitalgedeckter Elemente oder zur Förderung der bAV.
Für die gesetzliche Rente vergrößert der Koalitionsvertrag das Problem ihrer Finanzierung. So wird einerseits der Status quo auf der Ausgabenseite durch die Festlegung des Rentenniveaus fortgeschrieben. Zugleich entfällt andererseits die Haltelinie für die Höhe des Beitragssatzes. Ohne strukturelle Reformen droht mittelfristig eine deutlich steigende Belastung für Beitragszahlende, d.h. Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer und Unternehmen.
Guter Wille trifft auf fehlendes Konzept
„Hinzu kommt als verschärfendes Element und künstliche Kostensteigerung mit der Ausweitung der Mütterrente eine zusätzliche Leistung, die finanziert werden muss“, so Susanna Adelhardt. „Zur Förderung und Verbreitung der bAV sind wiederum keine nennenswerten Impulse erkennbar und für die private geförderte Vorsorge fehlen konkrete Reformschritte, die eine Neuaufstellung ermöglichen. Aus aktuarieller Sicht ist es wichtig, in allen drei Säulen nachhaltige, verlässliche, aufeinander abgestimmte und auch generationengerechte Lösungen umzusetzen. Es ist ein Grundprinzip zur Umsetzung der Generationengerechtigkeit, staatliche Zuschüsse und Förderungen zielgerichtet und sinnvoll einzusetzen. Das ist nicht erkennbar.“
Der Koalitionsvertrag enthält dabei durchaus einige gute Ansätze, etwa die Bereitschaft, kapitalgedeckte Elemente in der Alterssicherung weiterzuentwickeln. Daraus können sich weitergehende Reformen entwickeln. Auch eine Reform von Riester scheint weiterhin politisch angestrebt zu werden. Die Schlagworte müssen mit klaren Konzepten und darauf abgestimmten Umsetzungsstrategien gefüllt werden, um das komplexe System der deutschen Alterssicherung zukunftsfest zu gestalten.
Gesetzliche Rente reformieren: „Es erfordert Mut.“
Susanna Adelhardt weiter. „Aus unserer Sicht braucht es eine systematische Stärkung aller drei Säulen. Dazu zählt eben auch die gesetzliche Rente. Eine nachhaltige Reform erfordert an dieser Stelle Mut, tatsächlich alle Stellschrauben anzufassen. In einem rein umlagefinanzierten System mitten im demografischen Wandel und keiner gesamtgesellschaftlichen Bereitschaft, Leistungen der Rentner anzutasten oder das Renteneintrittsalter zu erhöhen, bleiben nur zwei Stellschrauben übrig: Beitragserhöhungen, die neben den Arbeitgebern und damit dem Wirtschaftsstandort Deutschland speziell die jüngere Generation treffen, und höhere steuerlich finanzierte Zuschüsse, die den Staatshaushalt und damit die gesamte Bevölkerung extrem belasten. Umso wichtiger ist eine zusätzliche Absicherung, betrieblich wie privat.“
Dabei müssen Transparenz, Einfachheit und eine faire, zielgerichtete staatliche Förderung im Vordergrund stehen. Wenn der Staat etwa private Vorsorge fördert, muss das Ziel sein, dass er nicht später noch einmal über die Grundsicherung einspringen muss – eine lebenslange Absicherung ist deshalb zwingend nötig; individuelle Auszahlungspläne statt eines kollektiven Risikoausgleichs gehen aus Sicht der DAV am Ziel vorbei.