Handelsrechtliche Abzinsung bei Pensionsverpflichtungen
Das vorliegende Positionspapier wurde im Auftrag des IVS von der ad-hoc Arbeitsgruppe HGB-Zins des Fachausschusses Altersversorgung der Deutschen Aktuarvereinigung e. V. (DAV) erstellt. Sie fasst die Überlegungen zusammen, die im Zusammenhang mit der Entwicklung eines Ansatzes für einen konstanten Zins angestellt wurden, und leitet aus diesen Überlegungen einen konkreten Abzinsungssatz für die handelsrechtliche Bewertung von Altersversorgungsverpflichtungen sowie vergleichbaren langfristig fälligen Verpflichtungen ab.
Zusammenfassung
Die aktuelle Konzeption für die Abzinsung von Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen in der deutschen Handelsbilanz stellt in Anlehnung an die internationale Bilanzierung auf Marktzinsen hochwertiger Unternehmensanleihen zum Bilanzstichtag ab. Da im Handelsrecht, anders als in der internationalen Rechnungslegung, die Effekte von Marktwertschwankungen vollständig erfolgswirksam erfasst werden müssen, wurde zur Glättung solcher Effekte der Abzinsungssatz bei Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen als mehrjähriger Durchschnittszins bestimmt, mit Einführung des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) ab dem Jahr 2010 zunächst über sieben, später dann durch das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften ab dem Jahr 2016 über zehn Jahre.
Das IDW hat deutlich herausgestellt, dass diese Zinskonzeption weder im Einklang mit handelsrechtlichen Bewertungsgrundsätzen steht noch sich in der Praxis bewährt hat. Im Ergebnis hat sich das IDW für einen konstanten Zins zur Bewertung von Altersversorgungsverpflichtungen ausgesprochen. In diesem Zusammenhang wurden auch mögliche Ansatzpunkte für dessen Herleitung, namentlich die für die Solvency II-Bewertung von Versicherungsverpflichtungen maßgebliche Ultimate Forward Rate (UFR) genannt.
In dem vorliegenden Positionspapier wird dargelegt, weshalb Ansätze, die auf eine risikolose Verzinsung abstellen, für die handelsrechtliche Bewertung von Altersversorgungsverpflichtungen ungeeignet erscheinen. Vielmehr erweist sich die Grundkonzeption eines Zinses als Summe aus Inflation und Realverzinsung aus aktuarieller Sicht als zielführend:
- Die jährliche Inflationsrate wird sinnvollerweise in Höhe des symmetrischen Inflationsziels der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2,0 % p. a. angesetzt.
- An die Stelle der (risikolosen) Realverzinsung tritt eine Realrendite, die aus volkswirtschaftlichen Überlegungen abgeleitet wird:
- So führt das Konzept des „natürlichen Zinses”, der die Produktion einer Volkswirtschaft in Einklang mit ihrem potenziellen oder natürlichen Niveau bringt, sofern es keine transitorischen Schocks gibt bzw. diese vollständig ausgelaufen sind, auf eine Realrendite in der Größenordnung von 1,25 %. Auf dieser Grundlage ergäbe sich ein konstanter handelsrechtlicher Abzinsungssatz in Höhe von 3,25 %.
- Das Konzept der durchschnittlichen realen Wachstumsrate des Bruttoinlandsproduktes wiederum führt auf eine Realrendite zwischen 1,0 % und 1,5 %. Auf dieser Grundlage ergäbe sich ein konstanter handelsrechtlicher Abzinsungssatz zwischen 3,0 % und 3,5 %.
Vor diesem Hintergrund erscheint ein konstanter Abzinsungssatz in Höhe von 3,25 % für die handelsrechtliche Bewertung von Altersversorgungsverpflichtungen sowie vergleichbare langfristig fällige Verpflichtungen sachgerecht und gut begründbar.
Wir schlagen vor, diesen Abzinsungssatz gesetzlich festzuschreiben und Übergangsregelungen für die Umstellung der Rückstellungsbewertung vorzusehen.
Eines Automatismus zur regelmäßigen anlasslosen Überprüfung oder gar Anpassung dieses Abzinsungssatzes bedarf es dabei u. E. nicht. Eine Anpassung erscheint lediglich dann angezeigt, wenn grundlegende Änderungen der wirtschaftlichen und finanziellen Rahmenbedingungen bzw. gesamtwirtschaftliche Strukturbrüche eine Änderung des nachhaltig und langfristig erzielbaren BIP-Realwachstums oder des Inflationsziels der EZB bewirken.
Um Konsistenzbrüche zu vermeiden, geht die Festlegung eines konstanten Abzinsungssatzes darüber hinaus mit der Abkehr von der Zeitwertbilanzierung etwaigen Deckungsvermögens einher. Dieses wäre dann in Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu (fortgeschriebenen) Anschaffungskosten zu bewerten. Lediglich im Fall wertpapiergebundener Zusagen sollte die Zeitwertbilanzierung beibehalten werden, weil sie hier ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zeichnet und insofern sachgerecht ist.
Das Positionspapier enthält als Anhang auch einen Vorschlag zur Änderung von HGB und EG-HGB.