DAV-Vorsitzender: „Wir dürfen die Reform der Alterssicherung nicht aus den Augen verlieren“
Der Vorsitzende der Deutschen Aktuarvereinigung e.V. (DAV), Dr. Maximilian Happacher, sieht in einer Reform der Alterssicherung eine Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Wirtschaftsstandort Deutschland und den Zusammenhalt der Gesellschaft. „Es steht außer Frage, dass die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und der europäischen Länder ganz oben auf der Agenda der möglichen neuen Regierung, bzw. aller demokratischen Parteien stehen muss. Ebenso braucht es eine gute Infrastruktur, um wirtschaftliches Wachstum zu ermöglichen und damit erst die Möglichkeit zur Finanzierung sozialer Leistungen jenseits von neuen Schulden zu sichern“, stellt Dr. Maximilian Happacher fest. Anlass sind die jüngsten Entwicklungen und die Einigung von Union, SPD und Bündnis 90 / Die Grünen, eine Verfassungsänderung zu erreichen, die es ermöglichen würde, weitreichende neue Schulden aufzunehmen.
„Es darf jetzt aber unter keinen Umständen passieren, dass andere wichtige und wirklich entscheidende Herausforderungen nicht angegangen werden. Um es ganz deutlich zu sagen: Wir dürfen die Reform der Alterssicherung nicht aus den Augen verlieren. Diese muss in allen drei Säulen, aufeinander abgestimmt und zeitnah innerhalb der anstehenden Legislaturperiode das Parlament passieren und umgesetzt werden. Sonst laufen nicht nur die Kosten aus dem Ruder, sondern es wird in den aktuell jüngeren Generationen später in der Rentenphase zu deutlichen Einbußen und vermehrt zu Altersarmut kommen.“
Deutschland rutscht in eine Krise der Alterssicherungssysteme
Die DAV hatte in der Vergangenheit nicht nur Unstimmigkeiten in den ausgearbeiteten Altersvorsorge-Reformplänen der Ampel-Regierung kritisiert, sondern auch eigene Anpassungsvorschläge gemacht (siehe beispielsweise hier). Zuletzt hatten die Aktuarinnen und Aktuare wesentliche Aspekte in ihrem Positionspapier zur Bundestagswahl zusammengefasst (siehe hier). Auf der Jahrestagung von DAV und DGVFM Ende April wird es zu dem Themenkreis darüber hinaus zwei Podiumsdiskussionen geben.
Eine Stabilisierung des Rentenniveaus durch eine pauschale Festschreibung des Sicherungsniveaus der gesetzlichen Rente, wie sie z. B. auch im Rentenpaket II der Ampelkoalition vorgesehen war, ein Beibehalten teurer Sonderleistungen wie der abschlagsfreien Rente nach 45 Berufsjahren oder großzügige Ausweitungen der sogenannten „Mütterrenten“, wie in den Sondierungen vorgesehen, führen allesamt zu einer Verschärfung des Problems. Statt die Trends aus rentenpolitischen Anpassungen der Reformen von 1989 (u.a. Einführung von Abschlägen, Herausnahme beitragsfreier Zeiten etc.) sowie von 1997 bis 2007 (u.a. die Stärkung kapitalgedeckter Absicherung, Erhöhung des Renteneintrittsalters auf künftig 67 Jahre) fortzusetzen und sich demografisch zukunftssicher aufzustellen, wurde seit 2013 der Rückwärtsgang eingelegt, und zwar vollständig zulasten kommender Generationen.
„Es ist nicht nur ungerecht, dass die Beitragssätze und Steuerzuschüsse stetig weiter steigen und die jüngeren Generationen belasten, es ist auch eine volkswirtschaftliche Belastung. Dabei sprechen wir hier noch nicht einmal von den ebenfalls erwartbaren Anstiegen der Beiträge in den Gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungen“, erklärt der DAV-Vorsitzende. Denn zum einen werden die beitragsleistenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stärker belastet, was ihre Kaufkraft verringert. Das hat unter anderem zur Folge, dass die Menschen durch die hohen Abschläge auch weniger in die absolut notwendige private Absicherung investieren. Zum anderen werden aber auch die Arbeitgeber hierdurch mit immer höheren Lohnnebenkosten konfrontiert, was die Lohnkosten zulasten des Arbeitsmarktes erhöht, Produkte und Dienstleistungen teurer macht und sich somit negativ auf den Wirtschaftsstandort auswirkt. Happacher: „Das ist ein Zirkelschluss-Dilemma. Auf die Art rutscht Deutschland zunehmend in eine Krise seiner Alterssicherungssysteme, fördert Altersarmut und intergenerationale Konflikte in der Gesellschaft. Gleichzeitig werden auch noch jenseits des Verteidigungshaushaltes die Geldschleusen geöffnet, was den Druck auf die nötige Ausgabendisziplin nimmt und obendrein das Potenzial hat, die Inflation wieder anzukurbeln.
Teils unbequeme Entscheidungen nötig
Der DAV-Vorsitzende hält daher fest: „Das gesamte Alterssicherungssystem muss auf die Herausforderungen der demografischen Entwicklung angepasst werden, insbesondere in Anbetracht des beschleunigenden Effekts eines Eintritts der Boomer-Generation in die Rentenphase und des Anstiegs der Rentenbezugszeiten.“ Dazu gehören auch unbequeme Entscheidungen in der Gesetzlichen Rentenversicherung wie unter anderem eine Fortsetzung der Anpassung des Renteneintritts an die steigende Lebenserwartung, ganz sicher aber vor allem Reformen, die die betriebliche Altersversorgung stärken, die staatlich geförderte Altersvorsorge deutlich attraktiver machen und so insgesamt zu einer Stärkung der zusätzlichen Alterssicherung führen. „Es muss jetzt etwas passieren, denn die Auswirkungen von Maßnahmen, die die Alterssicherung betreffen, haben lange Vorlaufzeiten und die Zeit wird immer knapper“, so Maximilian Happacher.