DAV: „Eine Elementarschadenpflicht würde sehr wahrscheinlich nicht zu niedrigeren Prämien führen“
Die DAV sendete heute live aus ihrem Kölner Studio und stellte dabei die beiden gesellschaftsrelevanten Themen „Lebenserwartung und Langlebigkeit“ sowie „Elementarschadenversicherung“ in den Fokus. Letzteres Thema hatte in den vergangenen Wochen wieder an Fahrt aufgenommen und steht im Zentrum eines in Kürze stattfindenden Austauschs der Bundesländer. Dabei soll es auch um die Frage einer Pflichtlösung gehen, die von einigen Ländern präferiert wird.
„Es braucht einen Dreiklang an Maßnahmen“
Für die Aktuarinnen und Aktuare ist die Frage nach der Pflicht nicht vorrangig. „Wie schon oft ausgeführt, handelt es sich dabei um eine vornehmlich politische Frage“, erklärte der DAV-Vorsitzende Dr. Maximilian Happacher. „Uns geht es um die relevanten Themen, die darüber entscheiden, ob solche Schäden zukünftig noch versicherbar bleiben. Es braucht hierfür einen Dreiklang an Maßnahmen.“ Dieser besteht aus:
- Risikogerechter Kalkulation
- Prävention
- Kumulschutz
Risikogerechtigkeit ist die Basis für faire Kalkulation
Die risikogerechte Kalkulation einer Prämie ist eine Grundvoraussetzung, um adäquat, fair und verursachergerecht zu agieren. Happacher: „Andernfalls würden alle bestraft, die ein geringeres Risiko aufweisen. Das führt mitunter zu einer unausgewogenen Risikoverteilung im Versichertenkollektiv, weil natürlich Menschen, die sonst deutlich mehr für ihre Versicherung zu zahlen hätten, eher animiert würden, einen Vertrag abzuschließen, während andere abgeschreckt sind. Das treibt letztlich die Prämien in die Höhe.“ Zudem würden massive Fehlanreize geschaffen, wenn beispielsweise Prävention aus eigener Tasche bezahlt werden müsse, durch fehlende Prävention zu erwartende höhere Schäden hingegen auf die Prämien des ganzen Kollektivs umgelegt würden.
Ohne Prävention geht es unter keinen Umständen
Ein Hauptanliegen der DAV ist die verstärkte Präventionsarbeit auf kommunaler, landes-, bundes- und internationaler Ebene. Dazu zählt unter anderem die Eigen-Prävention von Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie Unternehmen, die mit geeigneten Maßnahmen gefördert werden sollte: „Ernsthafte Prävention kann die Prämien für private Gebäude signifikant absenken – teilweise bis auf die Hälfte. Für gewerbliche und industrielle Risiken an exponierten Flusslagen können sogar noch höhere Einsparungen erzielt werden.“
Eine Grundvoraussetzung ist aber, dass der Staat selbst bei der Prävention nachbessert. Das betrifft zum Beispiel den Deichbau, aber auch die strengere Regulierung der Ausweisung von Bauland. „Noch viel wichtiger als regionale fokussierte Einzelmaßnahmen ist es jedoch, dass z.B. Hochwasserschutz auf höherer Ebene orchestriert wird. Flüsse fließen oft durch mehrere Bundesländer und Nationen. Daher fängt Hochwasserschutz auch schon in Zuständigkeitsgebieten an, die von den Folgen nicht unbedingt betroffen sein müssen. Trotzdem ist es wichtig, dass hier etwas unternommen wird.“
Besonderheit „Kumulrisiko“
Elementarschäden treten in der Regel großflächig, bzw. kumuliert auf. Dieses hohe Kumulrisiko bedeutet häufig viele gleichzeitige Schäden. „In Deutschland haben wir mit Donau, Elbe, Ems, Oder, Rhein und Weser insgesamt sechs große Stromsysteme, die durch Kanäle verbunden sind. Hinzu kommen die Küstengebiete. Wenn ein oder zwei Flüsse von Hochwasser betroffen sind, dann sind eine ganze Menge Schäden entlang dieser Systeme erwartbar. Daher ist es so wichtig, dass Elementarschadenversicherungen durch Rückversicherer abgedeckt sind. Diese agieren nämlich weltweit. Sie können auf die Art regionale Risiken sehr effizient ausgleichen“, so Max Happacher. Ein staatlicher Rückversicherer sei zwar auch denkbar, aber angesichts der besseren Spezialisierung und Ausrichtung der privaten Rückversicherwirtschaft eher eine Backup-Lösung zweiter Wahl.
Prämienabsenkung durch Pflichtlösung? „Nicht erwartbar“
Das hohe Kumulrisiko zeigt aber noch einen anderen Fakt auf: „Es gibt vereinzelt die Behauptung, eine Pflichtversicherung führe zu geringeren Prämien, weil dann die Zunahme der Versichertenzahl das Gesamtkollektiv entlaste. Das ist nicht erwartbar, weil dieser Mechanismus im Falle von Elementarschadenversicherungen nicht in dem Maße greift, wie mancher es sich erhofft. Denn bei Hochwasser sind eben in der Regel alle Häuser in einer Region, die eine bestimmte Gefahrenklasse aufweisen, gleichermaßen gefährdet. Man kann sich das ganz gut vor Augen führen: Wenn an einem Flussufer jedes Haus überflutet wird, macht es letztlich für die Einzelprämie keinen Unterschied, ob nun alle Häuser, jedes zweite oder jedes dritte Haus davon versichert ist. Das Verhältnis von betroffenen und nicht betroffenen Häusern bleibt vergleichbar Eine Elementarschadenpflicht würde deshalb sehr wahrscheinlich nicht zu niedrigeren Prämien führen.“