Unter einem ökonomischen Szenariengenerator versteht man ein Tool, das Risikofaktoren (typischerweise) aus dem Bereich der Marktrisiken über einen gewissen Zeitpunkt in die Zukunft projiziert. Dafür verwendet der Szenariengenerator verschiedene Modelle, welche die Spezifika und erwartete Dynamiken der Risikofaktoren entsprechend reflektieren sollen. Die Gesamtheit dieser Modelle wird oft auch als Kapitalmarktmodell bezeichnet. Der Zeithorizont der Projektion und die Länge der Zeitschritte hängen stark von der jeweiligen Anwendung ab. Der ökonomische Szenariengenerator wird oftmals auch als Economic Scenario Generator oder kurz ESG bezeichnet.
Was sind typische Risikofaktoren?
Klassische Risikofaktoren sind Nominalzinsen, Preisentwicklungen von Aktien- oder Immobilieninvestments (oder entsprechende Unterklassen davon), Spreads von Anleihen, Ratingmigrationen inkl. Ausfälle von kreditrisikobehafteten Titeln, Volatilitäten, Wechselkurse oder Inflationsraten. Daneben können auch weitere makroökonomische Größen wie das Bruttosozialprodukt projiziert werden.
Welche Anwendungen gibt es und was sind deren Besonderheiten?
Generell unterscheidet man zwischen der real-world und der risikoneutralen Anwendung eines ESG:
Real-world Projektion: Bei der real-world Projektion soll eine „realistische“ Projektion der Risikofaktoren über den gewählten Zeithorizont erfolgen. Dabei gibt es keine einheitlichen formalen Kriterien was die Forderung nach einer realistischen Projektion genau bedeutet; dies ist vielmehr von der jeweiligen Anwendung abhängig und kann unter verschiedenen Blickwinkeln zu unterschiedlichen Resultaten führen. Typische Anwendungen von real-world Projektionen im Versicherungskontext sind die Projektion über einen Einjahreshorizont zur Risikokapitalermittlung unter Solvency II und die Mehrjahresprojektion im Kontext von Asset-Liability-Management Fragestellungen.
Risikoneutrale Projektion: Typische Anwendungen von risikoneutralen Projektionen im Versicherungskontext finden sich im Kontext der Bewertung von Optionen und Garantien von Versicherungsbeständen wie diese unter Solvency II erfolgt. Zentrales Charakteristikum dabei ist die Abwesenheit einer Risikoprämie, sodass intuitiv und leicht vereinfachend formuliert alle Assets im Mittel denselben Return verdienen.
Was versteht man unter der Kalibrierung eines ökonomischen Szenariengenerators?
Die Kalibrierung eines ökonomischen Szenariengenerators hat die Wahl der Parameter der jeweiligen im ESG verwendeten Modelle zur Aufgabe und stellt letztendlich damit sicher, dass die Risikofaktorprojektion aus dem Kapitalmarktmodell den sich aus den jeweiligen Anwendungen ergebenden Anforderungen genügt. Für die Kalibrierung stehen verschiedene statistische Methoden zur Verfügung. Hierzu zählen etwa die Schätzung von Modellparametern auf Basis von Maximum-Likelihood Überlegungen oder Moment Matching Ansätzen, die Wahl der Parameter über numerische Optimierungalgorithmen, sodass gewisse aus dem Modell resultierende Größen wie Preise gewisse Werte annehmen sowie Expertenmeinungen (insbesondere für Parameter, die nicht eindeutig festzulegen sind oder eine tiefere makroökonomische Bedeutung haben).
Die Definition finden Sie hier zum Download auch als
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