„Das angedachte Lebensversicherungsreformgesetz II strebt einen fairen Interessenausgleich zwischen Versicherern, Kunden, Vermittlern und Aktionären an. Noch gibt es aber in einigen Bereichen Nachbesserungsbedarf“, unterstreicht der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Aktuarvereinigung, Dr. Guido Bader, heute in Köln. Dabei sehen die Aktuare vor allem Handlungsbedarf bei den künftigen Regelungen zum Höchstrechnungszins sowie dem vorgesehenen Provisionsdeckel.
Grundsätzlich begrüßt die DAV den Vorschlag im Gesetzesentwurf, auch künftig für Lebensversicherungen mit Garantien einen Höchstrechnungszins vorzugeben. „Damit bleibt das bewährte System der vorsichtigen Reservierung und damit ein wichtiger Baustein im Sinne einer langfristig gesicherten Altersvorsorge erhalten“, betont Dr. Bader. Aus Sicht der Aktuare ist es aber notwendig, einen prinzipienbasierten Rahmen für die Festlegung des Höchstrechnungszinses auch gesetzlich zu verankern. „Der Höchstrechnungszins sollte sich am historisch beobachteten Zinsniveau und der aktuellen Erwartung an zukünftig erzielbare Renditen genauso orientieren, wie am derzeit beobachtbaren Kapitalanlageverhalten der Branche“, führt Dr. Bader aus. Zudem appelliert die DAV an die Politik, Änderungen des Höchstrechnungszinses mit einer Vorlaufzeit von elf Monaten jeweils zum 1. Januar eines Kalenderjahres festzulegen. Damit hätten die Aktuare im Interesse der Kunden ausreichend Zeit für die erforderliche Neukalkulation der Tarife und die notwendige Umsetzung in der Technik. Daneben verweist Dr. Bader auf das bisherige Verfahren zur Festlegung des Höchstrechnungszinses, bei dem die DAV stets die aktuarielle Expertise ihrer Mitglieder zum Nutzen von Verbrauchern und Unternehmen in die gesetzgeberischen Prozesse eingebracht hat. Über viele Jahre hat die DAV diese Prozesse mit einem eigenen Vorschlag zur Höhe des Höchstrechnungszinses fachlich begleitet. „Deshalb halten wir es für wichtig, dass die Aktuare auch bei der künftig vorgesehenen Anhörung Gehör finden und nicht nur wie angedacht Unternehmens- sowie Verbraucherverbände“, so Dr. Bader.
Provisionsdeckel benachteiligt laufende Provisionen
Daneben sehen die Aktuare auch Handlungsbedarf bei den Vorschlägen zum viel diskutierten Provisionsdeckel. Unabhängig von der nicht aktuariellen Frage, ob ein Provisionsdeckel gerechtfertigt ist oder nicht, scheinen die vorgelegten Entwürfe an mehreren Stellen noch nicht sauber durchdacht zu sein. Wird dem Versicherungsvermittler beispielsweise statt einer einmaligen Provision eine laufende Vergütung gezahlt, so trägt er das volle Risiko, wenn der Vertrag vorzeitig beendet wird. Verstirbt die versicherte Person oder wird der Vertrag vor Ablauf gekündigt, so endet auch die Provisionszahlung. „Beim derzeitigen Gesetzesentwurf würden laufende Vergütungen gegenüber einmaligen Provisionen unattraktiv, der Trend der letzten Jahre hin zu mehr laufender Provision würde sich wieder umkehren“, beschreibt Dr. Bader die komplexe Materie. Die Aktuare fordern daher, das Risiko vorzeitiger Abgänge bei der Bewertung laufender Vergütungen im Rahmen des Provisionsdeckels mit einzubeziehen und haben Vorschläge zur aktuariellen Umsetzung dieser Idee vorgelegt. Darüber hinaus spricht sich die DAV dafür aus, Produkte gegen Einmalbeitrag komplett vom Provisionsdeckel auszunehmen. Denn diese Produkte werden nicht gezillmert, sodass sie zurecht auch nicht im Fokus des Lebensversicherungsreformgesetzes 2014 standen.
Skeptisch äußert sich Dr. Bader zudem zum avisierten Zeitplan der Umsetzung des Lebensversicherungsreformgesetzes II. Nach derzeitigem Stand soll das neue Gesetz spätestens sieben Monate nach seiner Verkündung in Kraft treten. „Mit der Einführung eines Provisionsdeckels ist eine neue Tarifgeneration erforderlich, für die aufwendige aktuarielle Kalkulationen notwendig sind. Diese müssen im Interesse der Kunden ausreichend sicher sein“, führt Dr. Bader aus. Deshalb plädiert die DAV für eine Umsetzung nicht vor dem 1. Januar 2021.
Korridormethode hat sich bewährt
Abschließend zieht der DAV-Vorstandsvorsitzende ein Zwischenfazit zur Ende 2018 eingeführten Korridormethode bei der Zinszusatzreserve (ZZR). Mit dieser wird der Aufbau der Zinszusatzreserve auf einen längeren Zeitraum gestreckt, wodurch die jährlichen ZZR-Zuführungen deutlich gleichmäßiger erfolgen können. „Bereits heute steht fest: Die Korridormethode hat sich bewährt, was sich auch in den verbesserten Solvency-II-Quoten der Versicherungsunternehmen widerspiegelt“, resümiert Dr. Bader. Zugleich widerspricht er der mehrfach geäußerten Befürchtung, die Korridormethode reduziere die Garantieversprechen der Unternehmen gegenüber den Versicherungsnehmern. „Das Gegenteil ist der Fall. Sie schränkt den Aufbau der Zinszusatzreserve auf das für die Sicherung der Garantien notwendige Maß ein und leistet damit einen Beitrag zur Generationengerechtigkeit. Durch die veränderte Berechnungsmethode müssen die Versicherungen nicht mehr im bisherigen Maße hoch verzinste Kapitalanlagen verkaufen. Dies stabilisiert langfristig die Ertragssituation für die Versicherten“, erläutert der DAV-Vorstandsvorsitzende. Mit Blick auf die anhaltende Tiefzinsphase unterstreicht er aber auch: „Die Korridormethode ist keine Lösung des generellen Problems der niedrigen Zinsen.“ Als ungelöstes Problem der Zinszusatzreserve sehen die Aktuare weiterhin die Frage, wie für die Eigentümer eines Versicherungsunternehmens Anreize geschaffen werden können, sich an der Finanzierung der Zinszusatzreserve zu beteiligen. Hierzu hat die DAV der Politik bereits entsprechende Vorschläge unterbreitet und wird sich aktiv in den weiteren Diskussionsprozess einbringen.
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