Die niedrige Geburtenrate und die steigende Lebenserwartung führen zu einer Veränderung der Altersstruktur in der Gesellschaft und damit unumgänglich zu einer deutlich steigenden finanziellen Belastung der Sozialsysteme. Davon ist neben der Rentenversicherung insbesondere die gesetzliche Kranken- (GKV) und soziale Pflegeversicherung (SPV) betroffen. Aber auch die private Kranken- und Pflegeversicherung steht in den kommenden Jahrzehnten vor großen Herausforderungen.
Das belegen neue Berechnungen der Deutschen Aktuarvereinigung e.V. (DAV). Demnach könnten die Beiträge der gesetzlichen Krankenversicherung von derzeit 15,6 Prozent bis zum Jahr 2060 auf knapp 25 Prozent steigen. In der sozialen Pflegeversicherung ist nach Analyse der Aktuare sogar mit noch größeren Beitragssprüngen zu rechnen. Ohne Berücksichtigung möglicher Leistungsausweitungen könnten sich die Beiträge von 2,5 Prozent bis zum Jahr 2060 auf bis zu 8,5 Prozent erhöhen.
„Neben dem demografischen Wandel und den stetig steigenden Kosten durch den medizinisch-technischen Fortschritt ist hierfür vor allem die sogenannte strukturelle Einnahmenschwäche verantwortlich“, betont Dr. Karl-Josef Bierth, DAV-Vorstandsmitglied und Leiter des DAV-Ausschusses Krankenversicherung. Laut dieser steigen die Ausgaben für die Sozialversicherung ähnlich wie das Bruttoinlandsprodukt, während sich die Einnahmen entgegen vieler Prognosen um 0,5 Prozentpunkte pro Jahr langsamer als das Bruttoinlandsprodukt erhöhen. Vor diesem Hintergrund appelliert Dr. Bierth an die Bundesregierung, die seit Jahren zu beobachtende strukturelle Einnahmeschwäche in einem ersten Schritt im offiziellen Tragfähigkeitsbericht der öffentlichen Finanzen zu berücksichtigen. „Ohne diesen nachweisbaren Aspekt wird ein zu optimistisches Bild gezeichnet, was nicht im Interesse der Verbraucher ist“, so Dr. Bierth weiter. Im zweiten Schritt sollten dringend Maßnahmen zur Dämpfung der negativen Effekte der strukturellen Einnahmeschwäche entwickelt werden. So könnten durch flächendeckende Tarifverträge oder die Anhebung des Mindestlohns die Einnahmen der Sozialversicherung erhöht werden.
Darüber hinaus hat die DAV untersucht, wie sich die Beiträge künftig in der privaten Pflegepflichtversicherung entwickeln werden. Dabei zeigt sich, dass neben dem demografischen Wandel der medizinisch-technische Fortschritt zum Beitragstreiber wird. Dadurch steigen die Beiträge im Extremszenario zwar um den Faktor 4,5 – ein Vergleich von sozialer und privater Pflegeversicherung offenbart aber das derzeit niedrige Beitragsniveau der privaten Pflegepflichtversicherung. Während Versicherte dafür monatlich durchschnittlich 30 Euro zahlen, liegt der vergleichbare Beitrag in der gesetzlichen Pflegeversicherung für Kinderlose bei 123,90 Euro im Monat. Denn für die privatversicherten Angestellten würden aufgrund der vergleichsweise hohen Einkommen in der gesetzlichen Pflegeversicherung die Höchstbeiträge gelten.
Demografischer Druck auf PKV geringer
Eine andere Entwicklung zeichnet sich in der privaten Krankenversicherung (PKV) ab. Dort haben die demografischen Veränderungen einen vergleichsweise geringen Einfluss, da im Gegensatz zum umlagefinanzierten System der GKV für jeden Versicherten eine risikogerechte Prämie mit Aufbau einer Alterungsrückstellung zur langfristigen Vorsorge erhoben wird. Deutlich stärkere Auswirkungen auf die Entwicklung des PKV-Beitragssatzes haben hingegen der medizinisch-technische Fortschritt und die anhaltende Tiefzinsphase. Sollten die Zinsen in den kommenden Jahrzehnten auf ihrem aktuell niedrigen Niveau verharren, erhöht sich der PKV-Durchschnittsbeitrag nach den Berechnungen der DAV inflationsbereinigt bis zum Jahr 2060 um den Faktor 2,7. Kommt es hingegen zu einer Zinserholung ab 2030, reduziert sich der Faktor auf 2,4.
„In Anbetracht der in der öffentlichen Wahrnehmung vielfach unterschätzten Bedeutung des medizinisch-technischen Fortschritts als Kostentreiber sollte jede Möglichkeit ergriffen werden, die Effizienz des Gesundheitssystems zu steigern“, unterstreicht Dr. Bierth. So ließen sich nach Überzeugung der Aktuare durch den Ausbau der Telemedizin oder der Einführung einer digitalen Gesundheitskarte erheblich Kosten einsparen. Darüber hinaus sollten Ansätze zum gesunden und selbstständigen Altern unterstützt werden. „Ohne einen Paradigmenwechsel im Kosten- und Leistungsmanagement ist das deutsche Krankenversicherungs- und Pflegesystem nicht zukunftsfest. Deshalb muss auch jede Leistungserweiterung, insbesondere in der sozialen wie privaten Pflegepflichtversicherung, kritisch auf ihre künftige Bezahlbarkeit geprüft werden“, fasst Dr. Bierth die Probleme der kommenden Jahre abschließend zusammen.
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Entwicklung BIP, Leistungsausgaben, Einnahmen
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Beitragsentwicklung soziale
Pflegeversicherung
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Beitragsentwicklung private Pflegeversicherung