In wenigen Wochen werden die europäischen Versicherungsunternehmen erstmals ihre Solvenzquoten nach dem neuen Aufsichtsregime Solvency II veröffentlichen. Dabei ist nach Ansicht der Deutschen Aktuarvereinigung e.V. (DAV) mit sehr unterschiedlichen und im Zeitverlauf schwankenden Ergebnissen zu rechnen.
„Aufgrund der hohen Abhängigkeit von der Entwicklung des Zinsniveaus werden vor allem die Solvenzquoten von Lebensversicherern von Jahr zu Jahr starken Schwankungen unterworfen sein“, prognostiziert Vorstandsmitglied Dr. Guido Bader bei der Jahrespressekonferenz der DAV. Mit stabileren Ergebnissen sei hingegen bei Schaden- und Unfallversicherern zu rechnen, da diese nicht so abhängig vom Kapitalmarkt sind. „Beispielsweise durch Naturkatastrophen ausgelöste Kumulschadenereignisse können aber auch hier zu Schwankungen führen“, so Dr. Bader weiter. Vor diesem Hintergrund rät die DAV dazu, bei der Interpretation der Solvency-II-Quoten Vorsicht walten zu lassen und nicht voreilig ein Urteil über die Risikosituation der Unternehmen zu fällen. „Für seriöse und verlässliche Aussagen muss der Verlauf der Solvenzquoten über einen längeren Zeitraum betrachtet werden“, betont Dr. Bader.
Darüber hinaus verweist er darauf, dass Solvency II auf einem komplexen Bewertungssystem fußt, das ausgehend von der individuellen Unternehmenssituation und unter Verwendung zahlreicher Annahmen über künftige Entwicklungen die Vermögenswerte, Verbindlichkeiten und Risiken misst. „Wie bei jeder Handelsbilanz bestehen auch bei Solvency II Bewertungsspielräume“, erläutert Dr. Bader. Insofern lassen vergleichbare Solvenzquoten von zwei Versicherern zwar grundsätzlich auf eine ähnliche Risikotragfähigkeit schließen. „Im Detail werde ein direkter Vergleich der Quoten aber an Grenzen stoßen“, diagnostiziert Dr. Bader. Neben den Einzelbewertungen betrifft dies beispielsweise auch Kapitalsteuerungsmaßnahmen von Finanzdienstleistungskonzernen, die in der Regel nicht in den Solo-Solvenzquoten ihrer Tochterunternehmen reflektiert werden.
Übergangsmaßnahmen sind zu berücksichtigen
Solvency II sieht Übergangsmaßnahmen für die Bewertung der Verpflichtungen eines Versicherungsunternehmens vor. Bei einer von vielen Lebensversicherern genutzten Übergangsmaßnahme kann die Aufsichtsbehörde dem Versicherer auf Antrag genehmigen, seine Verpflichtungen nicht sofort auf Grundlage von Solvency II – also nach „Marktwerten“ – zu bewerten, sondern in einem Zeitraum von 16 Jahren schrittweise auf die Solvency-II-Bewertung überzugehen. „Insbesondere im aktuellen Tiefzinsumfeld ist dies für Unternehmen mit großen Beständen an Garantieprodukten von besonderer Bedeutung“, führt Dr. Bader aus. Dank der Übergangsmaßnahmen werden nach Analyse der DAV die Unternehmen von Solvency II nicht überfordert und hätten Zeit, neue, weniger kapitalintensive Versicherungsprodukte zu entwickeln.
„Da sich die Bewertungen mit und ohne Übergangsmaßnahmen stark unterscheiden, sind Solvenzquoten, die mit Übergangsmaßnahmen berechnet wurden, nicht mit denen ohne diese Maßnahmen vergleichbar“, so Dr. Bader abschließend. Über die Anwendung der Übergangsmaßnahmen müssen die Unternehmen gegenüber der Öffentlichkeit berichten und deren Effekt im jährlich zu veröffentlichenden Solvabilitäts- und Finanzbericht (SFCR) beschreiben.
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