Die Nachfrage der Verbraucher nach Garantieprodukten ist auch in der Niedrigzinsphase ungebrochen. Deshalb hat die Deutsche Aktuarvereinigung e. V. (DAV) einen Vorschlag entwickelt, wie auch unter dem ab 1. Januar 2016 geltenden neuen europäischen Aufsichtssystem für Versicherungen (Solvency II) das deutsche Erfolgsmodell des Höchstrechnungszinses beibehalten werden kann. Sie schlägt zur Bewertung der Deckungsrückstellung in Zukunft einen zweistufigen (Höchst-)Rechnungszins vor.
Dieser unterteilt sich in einen anfänglichen und einen abschließenden Wert, der ab dem 16. Vertragsjahr gilt. Wichtig: Beide werden bereits zu Beginn der Vertragslaufzeit endgültig festgelegt, wobei der finale nie höher als der anfängliche sein darf. Dies ist ein Element der vorsichtigen Kalkulation.
Der Vorschlag der DAV erlaubt es, den handelsrechtlichen Bewertungsansatz an Situationen anzupassen, in denen die Garantieverpflichtung aus der Versicherung und die Ausrichtung der zugehörigen Kapitalanlage so aufeinander abgestimmt sind, dass die für die Garantie benötigten Erträge von der Kapitalanlage passgenau geliefert werden.
Das Modell der DAV trägt zudem dem Gedanken von Solvency II Rechnung. Demnach soll die Refinanzierung von Zinszusagen möglichst wenig davon abhängen, was Unternehmen hoffen, zu erwirtschaften; sondern möglichst viel davon, welche Erträge tatsächlich am Kapitalmarkt nachweisbar erzielbar sind. „Kurzum: Die Bewertung soll zu großen Teilen auf bereits absehbare Kapitalerträge setzen und nicht zu sehr auf Vermutungen", betonte DAV-Vorstandsmitglied Dr. Johannes Lörper.
Bisher war ein Höchstrechnungszins unter Solvency II nicht vorgesehen. „Die Versicherungen wie die Aufsicht haben sich jedoch dafür ausgesprochen, Leitplanken für die Deckungsrückstellung für künftige Garantieprodukte im Neugeschäft aufzustellen", begründete Dr. Lörper die Initiative der DAV.
Darüber hinaus spricht sich die DAV aber auch dafür aus, in Zukunft mehr moderne Produkte ohne Reservierung mit Rechnungszins zu ermöglichen. „Eine Mischung beider Produktgruppen ist aus aktuarieller Sicht der Grundstein für eine Geschäftsplanung, die auf dem Vorsichtsprinzip des deutschen Handelsrechts fußt", so Dr. Lörper abschließend.
Hintergrund
Der Höchstrechnungszins wird oft mit dem Garantiezins gleichesetzt. Dabei handelt es sich hierbei um verschiedene Werte! Unter dem Begriff Garantiezins verstehen Experten den Wert, den Versicherungen ihren Kunden bei der Beitrags- und Leistungsberechnung mindestens zusichern. Zur langfristigen Erfüllung dieser Garantien schreibt das Handelsgesetzbuch (HGB) vor, dass Unternehmen entsprechende Rückstellungen in ihrer Bilanz zu bilden haben. Diese Rückstellungen werden mit dem sogenannten Reservierungszins ermittelt, der laut gesetzlichen Vorgaben den vom Bundesfinanzministerium letztendlich festgelegten Höchstrechnungszins nicht überschreiten darf.
In der Vergangenheit waren Reservierungs- und Garantiezins in der Regel gleich hoch. Künftig werden die Unternehmen bei der Festlegung des Garantiezinses auch das neue Aufsichtsregime Solvency II berücksichtigen müssen. Das bedeutet: Die Höhe der Eigenkapitalausstattung bestimmt, ob der Garantiezins ausgenutzt werden kann.
Die bisherige Grundlage der Berechnung des Höchstrechnungszinses sind Szenarien, denen die von der Europäischen Zentralbank (EZB) veröffentlichte Rendite europäischer AAA-gerateter Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit zugrunde liegen, von denen die Durchschnittsrendite der vergangenen zehn Jahre berechnet wird. Unter Annahme verschiedener Zinsentwicklungen werden diese Durchschnittsrenditen in die Zukunft projiziert. Zur finalen Bestimmung des Höchstrechnungszinses wird der berechnete Mittelwert mit 0,6 multipliziert. Der Höchstrechnungszins stellt laut Gesetz eine Obergrenze dar, die nicht überschritten werden darf.
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