Die Berufsunfähigkeit (BU) bleibt für die Deutschen eine der größten finanziellen und zugleich am stärksten unterschätzten Gefahren. Das belegen die heute vorgestellten Untersuchungen der Deutschen Aktuarvereinigung e.V. (DAV). Demnach wird bis zum Renteneintritt jeder Vierte mindestens einmal in seinem Arbeitsleben berufsunfähig. „Ohne eine entsprechende Absicherung sind das für die meisten kaum zu kompensierende Einschnitte im Haushaltseinkommen und für Alleinverdiener oder Singles kann das sogar den Ruin bedeuten“, fasst der DAV-Vorstandsvorsitzende Dr. Herbert Schneidemann die Situation zusammen.
Vor diesem Hintergrund zeigt er sich überrascht, dass es hierzulande nach Daten des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) im Jahr 2019 nur rund 17 Millionen Versicherungsverträge gab, die gegen eine Invalidität absichern – bei über 45 Millionen Erwerbstätigen. „Die Menschen versichern ihr Smartphone, aber nicht ihre Arbeitskraft und damit ihre Existenzgrundlage“, betont Dr. Schneidemann. Dabei hat das Risiko, berufsunfähig zu werden, teilweise sogar zugenommen. So haben Frauen bis zu ihrem 40. Geburtstag im Vergleich zur vorangegangen Untersuchung vor 20 Jahren ein um über 30 Prozent erhöhtes BU-Risiko. „Denn in dieser Versichertengruppe sind laut Daten der Rentenversicherung erheblich mehr Schadenfälle aufgrund psychischer Erkrankungen festzustellen“, erläutert Dr. Schneidemann. Bei Männern gibt es hingegen in dieser Altersgruppe keine signifikanten Veränderungen.
Erfreulich ist die Entwicklung sowohl bei Männern als auch bei Frauen über 40 Jahre. Hier sank die Wahrscheinlichkeit, berufsunfähig zu werden, bei weiblichen Versicherungsnehmern um 36 Prozent und bei männlichen um etwa 45 Prozent. „Darin spiegelt sich deutlich die Veränderung der Arbeitswelt wider. Zum einen sind immer weniger Personen in körperlich anstrengenden Berufen tätig und zum anderen sinken generell die körperlichen Anforderungen in vielen Berufen. Dieser positive Trend überkompensiert glücklicherweise den auch in dieser Altersklasse zu beobachtenden Anstieg der Schadenfälle durch psychische Erkrankungen“, konstatiert Dr. Schneidemann. Insgesamt resultiert derzeit beinahe jeder dritte BU-Leistungsfall (31,88 Prozent) laut einer Untersuchung von Morgen & Morgen aus psychischen Erkrankungen. Noch vor zehn Jahren waren es nur circa 20 Prozent. Erkrankungen des Skelett- und Bewegungsapparates (20,33 Prozent) sowie Krebserkrankungen und andere bösartige Geschwülste (17,77 Prozent) stellen die zweit- beziehungsweise dritthäufigste Ursache dar. Wie aus den Daten der Rentenversicherung hervorgeht, waren Anfang der 1990er-Jahre noch körperliche Gebrechen die Hauptursache, warum jemand seine Arbeit aufgeben musste.
Dr. Schneidemann verweist darauf, dass aus den vorliegenden DAV-Erkenntnissen keine Rückschlüsse auf mögliche Preisentwicklungen für den BU-Versicherungsschutz gezogen werden können, da die Prämien unternehmensindividuell berechnet werden und von einer Vielzahl von Faktoren abhängen. Dazu gehört neben der Entwicklung des Rechnungszinses beispielsweise auch die Zusammensetzung des jeweiligen Kollektivs.
Darüber hinaus zeigen die DAV-Untersuchungen: Die Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmer kehren nach einer BU-Erkrankung schneller in den Beruf zurück. 19 Prozent nehmen binnen der ersten 24 Monate wieder ihren zuletzt ausgeübten Beruf auf. Vor 20 Jahren waren es nur elf Prozent. Anders verhält es sich aber bei Personen, die drei bis zehn Jahre berufsunfähig sind. Während nach der DAV-Tafel 1997 I rund 26 Prozent der Invaliden in diesem Zeitraum in den Job zurückkehrten, sind es nach der neuen 16 Prozent.
Auswirkungen von Corona noch nicht absehbar
Noch nicht prognostizierbar ist, wie sich die Coronapandemie auf die BU-Leistungsfälle auswirken wird, da sich mögliche Langzeitfolgen beziehungsweise Veränderungen des Arbeitsmarktes erst in den nächsten Jahren zeigen werden. „Nach unserer Einschätzung können die potenziellen Auswirkungen aber auf jeden Fall durch das kollektive Geschäftsmodell der Lebensversicherung, zusammen mit gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitspuffern in der Kalkulation und der Reservierung sowie glättenden Mechanismen zum Beispiel der Rückversicherung weitestgehend abgefedert werden“, betont Dr. Schneidemann abschließend.
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