Regierungspolitiker, Experten, Interessensvertreter und Wissenschaftler stecken derzeit in Berlin die Köpfe zusammen. Das Ziel: die Altersvorsorge soll gestärkt werden, auch im Betrieb. Die wichtigsten Stellschrauben sind ausgemacht – fragt sich nur, ob die „Ampel“ daran drehen wird.
Rund ein Jahr nachdem die Lichter angingen, war es soweit: Die Ampelregierung nimmt sich die Altersvorsorge vor. An welchen großen Stellschrauben muss also gedreht werden, um das formulierte Ziel zu erreichen?
Die erste setzt bei den Sozialpartnermodellen (SPM) an. Laut der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e. V. (aba) und dem Institut der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersvorsorge e. V. (IVS) wäre es für eine stärkere Verbreitung zentral, dass nicht nur Betriebe in das SPM eintreten können, für die der Tarifvertrag einschlägig ist. Vielmehr sollten auch branchenfremde Nichttarifgebundene Zugangsmöglichkeiten erhalten.
Aber gibt es auf deren Seite überhaupt Bedarf? Aba-Geschäftsführer Klaus Stiefermann und der IVS-Vorstandsvorsitzende Dr. Friedemann Lucius können diese Zweifel nachvollziehen. Als Vorstandssprecher der Heubeck AG sieht Lucius das Thema auch aus der Warte der betroffenen Unternehmen und betont daher: „Ich erwarte, dass wir hier weiter vorankommen und die Schwelle zur Teilnahme gerade für den im Fokus liegenden Mittelstand abgesenkt wird.“ Beide sprechen sich zudem dafür aus, dass auch außertariflichen und leitenden Mitarbeitenden der Zugang zu einem SPM, an dem ihr Arbeitgeber beteiligt ist, ermöglicht werden sollte. Laut IVS kann dies durch eine gesetzliche Klarstellung erreicht werden.
Sachwert-Investments ermöglichen
„Die Rahmenbedingungen müssen so gestaltet werden, dass sachwertorientierte Investitionen getätigt werden können. Das macht die bAV gerade in Zeiten erhöhter Inflation zukunftsfähig“, betont Lucius. Das gilt nicht nur für die reine Beitragszusage beim SPM und die anderen beiden Zusageformen, sondern auch mit Blick auf die Pensionskassen. Das IVS begründet das so: Der jüngste Anstieg der über Jahre niedrigen Kapitalmarktzinsen hat vielfach zu einem umfassenden Abbau von Bewertungsreserven geführt, sodass viele der Einrichtungen derzeit über keine stillen Reserven mehr verfügen. Hinzu kommt, dass im Fall dauerhafter Wertminderungen Abschreibungen auf die Buchwerte der Kapitalanlagen vorgenommen werden müssen, was die Eigenmittelausstattung der Versorgungseinrichtungen zusätzlich belastet. Die Fähigkeit, Verlustrisiken in der Kapitalanlage auszuhalten, wird dadurch, nach Einschätzung des Instituts, herabgesetzt. Infolgedessen können sich die Pensionskassen veranlasst sehen, verlustreiche Umschichtungen in der Kapitalanlage vorzunehmen, von ertragsstarken, aber schwankungsanfälligen Sachwerten in ertragsschwache, aber schwankungsarme Anleihen. „Erfahrungsgemäß gleichen sich Kapitalmarktschwankungen über die Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder aus. In der bAV mit ihren lebenslangen Renten, wo sich Verpflichtungen über Jahrzehnte abwickeln, haben wir eines ganz sicher, nämlich Zeit“, ergänzt Lucius. „Deshalb plädieren wir dafür, dass die Pensionskassen auch die Zeit als Risikopuffer nutzen können und der Begriff der dauerhaften Wertminderung entsprechend weit ausgelegt wird.“ Das würde die Ertragskraft vieler Pensionskassen stärken und ihnen eine realistische Chance eröffnen, beispielsweise krisenbedingte Wertverluste an den Aktienmärkten in der Zukunft wieder auszugleichen.
Gleichzeitig hat das jahrelang anhaltende Niedrigzinsniveau bei der Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) dazu geführt, dass die hundertprozentige Beitragsgarantie nach Berechnungen der Deutschen Aktuarvereinigung nicht mehr darstellbar ist – und laut IVS von externen Versorgungsträgern versicherungsförmig faktisch nicht mehr angeboten wird.
Damit die BZML nicht zum Auslaufmodell wird, müsste der Gesetzgeber derart handeln, dass die Höhe der Mindestleistung nach unten angepasst und gesetzlich definiert wird. Laut Lucius wäre das auch deshalb wünschenswert, weil nur die BZML einen risikoärmeren zweistufigen Prozess vorsieht: So muss nicht bei Vertragsabschluss, sondern erst bei Rentenbeginn festgelegt werden, zu welchen Konditionen die erworbenen Ansprüche verrentet werden. Die BoLZ beinhalte hingegen einen einstufigen Prozess, bei dem eine feste (Mindest-)Leistung bereits bei Vertragsabschluss vorgesehen ist. „Anders als bei der BZML braucht der Gesetzgeber daher hier keine Mindestleistung mehr vorgeben“, sagt Lucius, bestätigt aber zugleich, dass deren Höhe kontrovers diskutiert wird.
Der IVS-Vorstandsvorsitzende geht allerdings davon aus, dass die derzeitigen Rechtsunsicherheiten erst einmal weiter bestehen bleiben, sodass möglicherweise irgendwann die Gerichte für Klarheit sorgen werden
Den vollständigen Artikel lesen Sie im haufe personalmagazin 04/2023 auf Seite 66 bis 68. Das Magazin können Sie
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